Salvai
Der Markt war voller als am gestrigen Abend, er konnte nicht umhin daran zu denken, dass sein Schauspiel mit Viren ebenfalls dazu beigetragen hatte das der ein oder andere sich das Stück ansehen wollte. Lachende Gesichter säumten ihren Weg bis zur Bühne, die Stände auf dem Markt boten allerlei Köstlichkeiten an und allein dank den guten Gerüchen bekam er erneut Hunger. Sein Blick wanderte während er als letzter seiner Gruppe folgte, Lissie ging schwungvoll neben ihm her. Die Stimmung war gut, die Leute welche ihnen vom Gasthof bis hierher gefolgt waren mischten sich schließlich unter die anderen vor der Bühne. Nicht selten reisten Schauspieler hierher, dafür hatte man immerhin auch die hölzerne Bühne errichtet die an einem steinernen Wirtshaus grenzte. Maestro spielte weiterhin während die ganze Gruppe schließlich hinter der Bühne verschwand. Eine Vielzahl an Kindern und Jugendliche befanden sich bereits vorne, waren bereit das ganze mit großen Kinderaugen zu beobachten und in sich aufzusaugen. Sein Blick war automatisch über die Menge gewandert, allerdings hatte er Viren im ersten Moment leider nicht erspähen können. Statt sich davon allerdings einen Dämpfer verpassen zu lassen, wollte er seine ganze Konzentration in das Schauspiel legen. Er war erneut nervös, bisher war er zwei Mal aufgetreten, aber vor einem weitaus kleinerem Publikum. Hinter der Bühne organisierten sie sich kurz, Maestro gab zügige Anweisungen. Kurz spürte er Lissies Hand an seiner, bevor sie dann auch bereits seinen Worten nachkam. Allein die kleine Berührung reichte aus um sich wieder etwas zu Beruhigen.

Die älteren Leinenvorhänge waren bereits zurückgezogen worden und offenbarten die kleine Holzbühne, auf die Maestro schließlich als erstes trat. In seiner Hand hielt er nun die Laute, er beherrschte vier Instrumente und jedes von ihnen konnte er blind spielen. So wanderten seine Hände mit einer geübten Leichtigkeit über die Seiten, eine fröhliche Melodie erklang. Allerdings war sie leise und diente lediglich als Hintergrundmusik. Die nächsten die erschienen, waren Rosetta und Lissie mit ihrer gleichen Kleidung. Die Hüte tief ins Gesicht gezogen betraten sie bedeckt die Bühne, Rosetta hatte noch einen hölzernen Stuhl dabei welchen sie dann auf die rechte Seite stellte. Die drei kleinen Kinder hatten sich vor der Bühne auf ein paar Treppenstufen setzen dürfen, ihre Instrumente hatten sie dabei sowie zwei größere Hüte die zwischen ihnen lagen. Kinder waren eben ein gutes Mittel um bei einer guten Leistung noch einmal ein paar Kreuzer zu erhalten. Das Gerede des Publikums verstummte langsam, der Marktplatz war gut gefüllt und selbst die Geschäfte an den Ständen ließen nach. Allerdings lag nicht nur reine Neugierde in den Blicken, nicht wenige waren Schauspielern gegenüber schlecht eingestellt oder verachteten ihre Kunst. Vor allem wenn sogar Frauen dabei waren, hatte das Theaterspiel früher doch nur den Männern gegolten. So traten sie also einer Menschenansammlung mit gemischten Gefühlen gegenüber, allerdings strahlte Maestro ein Selbstbewusstsein aus das er sich über die Jahre als Erzähler angeeignet hatte. Als die letzten Klänge der Laute erklangen, hielt er seine Hand schließlich der Menge entgegen. "Ich heiße euch alle Herzlich Willkommen zu unserem Schauspiel! Wir, die Theatergruppe Tetetra, freuen uns darauf euch unser neuestes Werk präsentieren zu können. Es nennt sich Meine Rose." Seine Stimme war laut, fest, unmittelbare Gespärche wurden dadurch unterbrochen und nicht mehr aufgenommen. Ihnen galt schließlich die ungeteilte Aufmerksamkeit, bis auf wenige die an den Ständen noch ein- oder verkauften.

Kurz hallte noch Maestros Stimme nach, bevor er Rosetta die Laute übergab und sich wieder hinter die Bühne zurückzog. Dabei vollführte er eine elegante Verbeugung bevor er verschwand. So standen die beiden Knaben links und rechts auf der Bühne, das Spiel auf der Laute war dabei leise und begleitend. Veira trat in ihrem nachtblauen Gewand schließlich auf die Bühne, anmutig ging sie zu dem Stuhl und setzte sich. Die Hände im Schoß faltend wandte sie ihren Blick schließlich an das Publikum, allerdings sprach sie nicht. Denn Lissie trat schließlich vor, mit schwungvollem Schritt und die Hände in die Seiten gestemmt. Sie bildete einen starken Kontrast zu der Dame auf dem Stuhl, verstellte ihre Stimme dabei, "Liebe Leute, lasst mich euch einen Einblick in unsere Welt geben. Wir befinden uns in einem friedlichen Land, in einem friedlichen Dorf. Der Frühling beginnt, die Felder können bestellt werden und der Winter wurde überlebt. Ein Krieg wütete letztes Jahr und alle Männer waren fort." Es herrschte kurz ihrerseits eindrucksvolle Stille. In der Zeit waren die Kinder auf die Bühne gekrabbelt und hatten ihre Sachen auf der Treppenstufe liegen lassen, um zu dem Stuhl zu eilen auf dem ihre Mutter saß. Veira sah dabei ihren Kindern beim spielen zu, allerdings sprach sie noch kein Wort. Dienten sie im Moment nur als Hintergrund. Noch immer stand Lissie in der Mitte der Bühne und Rosetta kam zu ihr, die beiden Knaben unterhielten sich. Lissie war außer Atem und musste sich erst einmal auf den Oberschenkeln abstützen, die Konversation der beiden Knaben verlief witzvoll. Während Rosetta ständig wissen wollte was los war, tat Lissie so als hätte sie noch immer keinen Atem um zu sprechen. Brachte allerdings ständige Vergleiche das der Knabe bei anderen Aktivitäten nicht so außer Atem war, statt zum eigentlichen Punkt zu kommen. Das Gespräch erntete bereits Gelächter seitens der Zuschauer, bevor Lissie schließlich verkündete die Heimkehr der Soldaten gesehen zu haben. Sie sprach von Rosettas großem Bruder der gesehen wurde, allerdings hatte sie den Ehemann der netten Dame nicht erkannt. Aufgeregt rannten sie daher auf der Bühne auf und ab, riefen dabei die Rückkehr der Soldaten aus und taten so als würden sie an viele Türen klopfen um die Botschaft zu verkünden. Rosetta rannte schließlich auch zu dem Stuhl auf dem Veira saß, die Kinder noch immer zu ihren Füßen. Sie klopfte an einer imaginären Tür so das Milena ihr diese öffnete, "Madame! Madame, die Soldaten kehren zurück. Aber wir haben euren Mann nicht unter ihnen gesehen." Womit der Knabe andeutete, dass die Soldaten zwar zurückkehrten, aber es nicht sicher war ob ihr Mann unter ihnen weilte.

Veira erhob sich schließlich und trat an den Knaben heran, Gewissheit lag in ihrem Blick so das sie ihre Hand nun hob. Eine Rose die sie in ihrem Ärmel versteckt hatte war nun zu sehen. Diese präsentierte sie auch der Zuschauerschaft vor der Bühne, in dem sie diese in die Höhe hielt. Dabei erklärte sie mit sanfter Stimme das sie wusste, dass er zurück käme. Ihr Mann hatte ihr diese Rose letztes Jahr überreicht mit den Worten, so lang diese Rose blühe würde er im Krieg nicht gefallen sein und siegreich voranschreiten. Die Rose blühte immer noch und hatte den Winter überlebt, daher wusste sie das es ihm gut ginge. Wärme lag in ihrem Blick und auch die Kinder beäugten die Rose. Dabei strichen ihre Finger sanft über die roten Blütenblätter. Der Knabe lauschte der Geschichte, Unglauben lag in seinem Blick und ein frecher Kommentar entglitt ihm, dass sie noch sehen würden ob er dabei wäre. Veira blieb schließlich stehen als der Knabe ging und stimmte schließlich ein Lied an, es war trotz der Umstände ein hoffnungsvolles und schwungvolles Lied das ihre Liebe zu ihrem Mann zeigte. Als das Lied schließlich endete nahm sie ihre Kinder in die Hand, die Rose klemmte dabei hinter ihrem Ohr. Sie sprach zu allen das sie nun in das Dorf gingen und auf ihn warten würden. Ein erneuter Wechsel der Szene, als nun Maestro und Isaac die Bühne betraten. Die Stimmung war ausgelassen, Freude lag in der Luft. Maestro freute sich sehr auf die Heimkehr um seine Familie wieder zu sehen, während Isaac darüber witzelte das die Frauen sicher bereits auf ihn gewartet hätten und sein Bruder mittlerweile alt genug sein dürfte eine Freundin zu haben. Freundschaft lag in ihrem Blick als sie sich nun trennten, die kleine Familie im Hintergrund trat vor während Isaac wieder aus dem Geschehen verschwand und Maestro mit seiner Familie wiedervereinigt wurde. Sie waren glücklich, der Vater nahm alle drei Kinder auf den Arm und gab seiner Frau einen innigen Kuss bevor sie die Bühne verließen um zu ihrem Heim zurück zu kehren. Die Rose lag dabei wieder in Veiras Hand.

Die Bühne war nun leer, die ständige Hintergrundmusik änderte sich schließlich und nahm eine düstere Atmosphäre an. Die Musik wurde hart und verpasste den Anwesenden den Grad an Spannung welcher für die nächste Szene wichtig war. Mit eiligen Schritten trat schließlich Annette auf die Bühne, Wut lag in ihrem Blick während der ältere, schick angezogene Herr ihr gefolgt war und bei dem Stuhl erst einmal eine Atempause machte. Annette ging weiter auf und ab, das lange Kleid was den Boden säumte war ihr dabei nicht im Weg. Die langen Ärmel bewegten sich ständig, da sie mit ihren Händen gestikulierte. Die letzten Schlachten hatten sie verloren, der Krieg war vorerst beendet. Sie hatte sich ein Imperium aufbauen wollen und war von einfachen Bauern geschlagen worden, die meisten ihrer eigenen Truppen waren tot. Noch immer war sie wütend, verzweifelt und auch Jakob gelang es nicht sie zu besänftigen, die Schönheit wandelte ihre Hasstirade in ein Lied um. Die harte Stimme wurde dabei an die Zuschauer gerichtet, sie wollte Macht, sie wollte Land, sie wollte alles besitzen. Ihr Lied handelte davon wie Grauen das Land heimsuchen sollte, der langanhaltende Winter hätte sie alle ereilen sollen. Doch die unerwartet heftige Stärke der Gegenseite hatte sie schließlich zurück gedrängt, die Gegenseite feierte bereits den Sieg. Annette hatte sich nur mit wenigem Gefolge zurückziehen können und war zurück auf die Schiffe geflohen, die sie verwendet hatten um das Meer zu überqueren und einzufallen. Schließlich endete das Lied damit, das Jakob zu ihr trat und davon sprach das noch nicht alles verloren wäre. Sie waren Verbündete und er würde nicht eher ruhen, bis ihm das Land auf der anderen Seite des Meeres nicht ebenfalls gehören würde. Schließlich deutete er mit seiner Hand in eine bestimmte Richtung, mit der Aussage das sie weniger als ein Jahr benötigen würden um eine Armee aufzustellen.

Erneut ertönte finstere Musik als Salvai schließlich die Bühne betrat, die schweren Stiefel klapperten auf dem Holz als er den beiden nun gegenübertrat und sich leicht verneigte. Das schwarz seiner Uniform ergänzte die passende, düstere Stimmung die Annette mit ihren Worten ausgelöst hatte. Ihr Blick lag auf ihn. Elegant ergriff Salvai ihre Hand um einen Kuss auf den Handrücken zu drücken. Auffällig war, dass ihm im Moment die grüne Binde fehlte die er während des Einzugs noch getragen hatte. Jakob deutete schließlich auf den braunhaarigen, mit der Aussage das er genügend Geld besaß die gesamte Söldnerarmee dieses Mannes anzuwerben. Salvai neigte erneut respektvoll den Kopf, bis sein Blick nun auf Annette haften blieb. "Erlaubt mir mich vorzustellen meine Herrin, Anführer der Schwarzblut Söldner und bereit unter eurer Hand zu dienen. Wie euer wehrter Freund bereits sprach, benötigen wir weniger als ein Jahr um einfallen zu können. Erlaubt mir, eure verblieben Truppen aufzubauen und meiner Armee, sich eurem Kampf anzuschließen." Dabei legte er die eigene Hand auf seine Brust, er sprach ernst aber respektvoll, die Mine allerdings war kalt. Jakob tastete nach einem Beutel voller Münzen der an seinem Gürtel haftete und tätschelte diesen, "Die Bezahlung sei euch gesichert." Sagte er schließlich bevor er sich an Annette wandte, "Diese Söldner sind mir vertraut, schon viele Schlachten haben sie in meinem Namen gewonnen und ich bin bereit, ihre teuren Künste für unsere Ziele anzuwerben. Es wird kostspielig, aber ihr wisst das ich das nötige Kleingeld dafür besitze." Die Dame schien zu überlegen, ein prüfender Blick lag auf Salvai gerichtet bevor sie stumm aus ihrem Ärmel ein grünes Stück Stoff hervorzog. Anschließend trat sie zu um und brachte die Binde an seinem rechten Oberarm an, "Ihr dürft mir dienen mit all eurer Stärke, euch sei nicht nur die Bezahlung gewährt wenn ihr siegt." Ein zweideutiger aber machtvoller Unterton lag in ihrer Stimme, machte deutlich welche Wichtigkeit ihr Gespräch hatte und das dem Anführer der Schwarzblut Söldner gar eine größere Belohnung erhalten könnte als nur Geld. Ein Lächeln umspielte schließlich seine Lippen, während er ihre Hand erneut an seinen Mund führte, danach musterte er die Binde an seinem Arm. Erneut sprach Jakob, jetzt da Salvai bereits seinen Teil gesagt hatte wanderte sein Blick das erste Mal so wirklich zum Publikum. Eher unterbewusst hatte er nach Viren Ausschau gehalten, allerdings konnte er sein schwarzes Haar tatsächlich in der Menge erkennen. Neben ihm stand ein weißhaariger Mann, den er allerdings nur beiläufig wahrnahm. Nur kurz lies er seinen Blick auf ihn verweilen, die Freude darüber durfte er im Moment nicht zeigen - war sein Gesicht doch versteinert um Annette stumm zuzuhören. Aber der Gedanke das er ihr Schauspiel ansah stimmte ihn glücklicher als erwartet. Annette sprach weiter von ihren Fantasien. Im krassen Kontrast stand eben noch die kleine, süße Familie deren Vater aus dem Krieg zurückgekehrt war. Aufzeigen sollten die beiden Seiten, die verschiedenen Bedürfnisse, der Vater war glücklich bei seiner Familie während das Unheil sich nicht hatte besiegen lassen und sich neu formierte, Geld, Macht und Beziehungen standen dabei im Vordergrund. Im ganzen Stück waren keine Namen gefallen, als Veira es geschrieben hatte war ihr wichtig gewesen keine zu verwenden. Sie wollte das sich jeder hineinversetzen konnte, das diese Machtspiele an früher erinnerten und auch wieder kommen konnten. Mit Absicht hatten Maestro und Veira sich für ein Stück entschieden, das kein Happy End haben würde. In Zeiten wie dieser war ein dramabasierendes Stück nicht ungewöhnlich und diente auch dazu, die einfachen Bewohner der Stadt etwas zu schocken. Annette endete schließlich und lies sich von Salvai an ihrer Seite von der Bühne führen. Jakob folgte ihnen lachend. Kaum gingen sie, wurde die Musik wieder fröhlicher und der nächste Akt begann.

Als Maestro schließlich die Bühne betrat lebten die Gespräche um uns herum erst einmal auf ehe seine sichere Stimme diesen ein Ende setzte. Allerdings hielt die Stille in meiner Nähe nicht lange. Kaum hatten die Frauen die Bühne betreten, fingen zwei junge Männer neben mir an über die Gruppe herzuziehen. Frauen auf der Bühne schienen eine Unmöglichkeit für sie obwohl es dort direkt vor ihren Augen geschah. Die Menschen hier waren ebenso rückständig wie in unserer Welt. Als ob es einen Unterschied machte, welche Geschlechtsteile man besaß. Ich blendete die beiden aus um mich auf das Stück zu konzentrieren. Das funktionierte so lange bis Annette die Bühne betrat und die beiden mit ihren Beleidigungen neue Höhen erreichten. „Klappe halten und zusehen!“, fuhr ich sie wütend an, versuchte dabei immerhin die Lautstärke unten zu halten. Die beiden folgten dem Befehl. Ich hatte ihnen auch keine Wahl gelassen. Trotz der geringen Lautstärkte zog ich damit die tadelnden Blicke einiger anderer Zuschauer auf mich, welche ich jedoch ignorierte.

Spätestens in dem Moment in welchem Salvai sich zu Anette und Jakob gesellte waren mir die Blicke ohnehin gleichgültig. Ja, es war schwer in einer gut sitzenden Uniform schlecht auszusehen aber die Kleidung verlieh dem Braunhaarigen … etwas, das unweigerlich Bilder von seiner und Lissandras nächtlichen Aktivitäten hervorrief. Sein Charakter als moralloser Söldner war seinem eigenen so entgegengesetzt, dass ich nicht umhin konnte erneut sein Talent zu bewundern mit welchem er den Anführer glaubhaft verkörperte. Doch so sehr ich mich gerade auf Salvai versteifte, musste ich auch den anderen zugestehen, dass sie ihr Handwerk verstanden. Tetetra hielt was Salvai angepriesen hatte. „Ein Stück über die Machtgier der Menschen“, summte Vitas nachdenklich nachdem der erste Akt geendet hatte. „Nichts grundlegend Neues aber ihre Art der Darstellung ist durchaus interessant. Ist dir bekannt wer das Stück geschrieben hat?“ Ich schüttelte den Kopf als ich mir in Erinnerung rief was Salvai mir offenbart hatte. „Maestro, Veira und Annette organisieren die Auftritte. Mehr kann ich dir allerdings auch nicht sagen.“ Ein weiteres nachdenkliches Nicken. „Etwas gibt mir das Gefühl, dass unsere Rose in Kürze welken wird.“ Nun war es an mir zu nicken. Ja, auch mir vermittelte das Stück den Eindruck, dass wir kein realitätsfremdes Ende erleben würden in welchem die wehrhaften, gutherzigen Menschen über die Machtgier der Despotin siegen würden. Geld würde gewinnen. Eine traurige Realität.

Salvai
Sie hatten die Bühne verlassen und wurden so gleich von Lissie und Rosetta abgelöst, beide betraten die Bühne während Lissie schließlich das Wort ergriff. Sie begann zu erzählen wie sich die Söldnertruppen auf den Weg gemacht hatten das Meer zu überqueren, das ein Jahr vergangen war und der Winter nahte. Schließlich meldete sich Rosetta zu Wort, ein zusammengerollter Brief lag in in ihrer Hand. Sie zeigte diesen Lissie, die Männer aus den Städten und Dörfern wurden erneut einberufen da das Unheil erneut nahte. Traurige Musik untermalte die Stimmung, vor allem als Isaac und Maestro wieder die Bühne betraten. Die Freunde waren in guter Laune, witzelten und entlockten auch hier wieder Gelächter von der Menge. So lange, bis die beiden Knaben zu ihnen kamen und ihnen den Brief überreichten, der von der Einberufung kündete. Rosetta versuchte Isaac zu überzeugen, dieses Mal mit in den Krieg ziehen zu dürfen. Allerdings wehrte dieser vehement ab sein kleiner Bruder wäre zu jung, was Rosetta schließlich beleidigt davon gehen lies. Hier wurde gezeigt wie verherrlicht Jugendliche den Krieg wahrnahmen, welch Begeisterung junge Männer hatten ohne zu wissen was auf sie zukäme. Isaac und Lissie trennten sich schließlich von Maestro, in dieser Zeit hatte Veira mit ihren Kindern wieder beim Stuhl Platz genommen. Maestro kehrte heim, hatte den Brief in der Hand und überbrachte seiner Frau die schlechte Nachricht das er wieder fort musste. Niedergeschlagenheit zeigte sich, die Kinder drängten sich um seine Beine und hielten sich an seiner Kleidung fest während er die Hände seiner Frau in seinen hielt. Er versprach zurückzukehren, erneut kam die Rose in Veiras Händen zum Vorschein. "Solang ich siegreich bin, wird diese wilde Rose blühen." Waren seine Worte, bevor er seinen Mantel um die Schultern seiner Frau legte, dann gab er ihr einen Kuss und strich über die Köpfe seiner Kinder bevor er ging.

Veira erhob sich, allerdings nur um den Stuhl nun weiter in den Hintergrund zu rücken. Die Kinder folgten ihr und setzten sich zu ihren Füßen. Den Blick gesenkt betrachtete sie die Rose in ihren Händen. Vorne waren nun Maestro und Isaac zu sehen, Geräusche ertönten als würden viele Männer über einen Waldboden gehen. Das Jakob die Kunst beherrschte mit den verschiedensten Gegenständen Geräusche zu erschaffen blieb dabei der Menge verborgen. Maestro und Isaac unterhielten sich darüber bald wieder siegreich heimzukehren, als Isaac schließlich stoppte und aufhorchte. Rosetta spielte andere Soldaten, in denen sie mit tiefer Stimme von hinten rief das sie angegriffen wurden. Die Geräusche welche Jakob hinter der Bühne schuf, wurden abgehändert als würden viele Klingen aufeinandertreffen und Hufe klappern. Gleichzeitig wurde auch die Musik nun ernster, schneller und lauter. Isaac und Maestro zogen ihre Schwerter, das blau ihrer Uniformen glänzte in der Mittagssonne während beide sich links auf der Bühne positionierten. Nun kam der spannende Teil, der Kampf welcher alles entscheiden würde. Salvai betrat die Bühne, der Blick herablassend und kalt. Für ihn war die Rolle nicht leicht zu spielen, genau so wie im Stall mit Viren, aber er konnte sie wenn er nicht an die brennenden Blicke dachte die jede Bewegung mit ihren Augen verfolgten. Daher lag sein Blick stets auf seine Gegner vor ihm, ihre Proben hatten immer ohne Probleme funktioniert und auch das hier würden sie gut spielen.

Ein Gespräch war nicht notwendig, Isaac und Maestro kannten immerhin den Anführer der Söldner nicht. Allerdings wandten die beiden in blau gekleideten Männer sich an die Menge,"Ich werde zu meiner Familie zurückkehren." Sagte Maestro schließlich, die Stimme fest und gewillt seinen Worten auch Taten folgen zu lassen. Isaac grinste, während er sein Schwert leicht gen Menge hob. "Wir werden zurück kehren, ich muss noch die Liebe meines Lebens finden."Dabei wanderte sein Blick ungeniert über ein paar hübsche Zuschauerinnen, die bei der Anzahl hübscher Männer natürlich das Stück bewundert betrachteten. Auch Salvai blickte nun zur Menge, dabei hatte er die Hand auf das Messer an seiner rechten Seite gelegt. "Wir werden jeden auslöschen der es wagt seine Klinge gegen uns zu erheben, wir werden zerstören und alles holen was uns zusteht. Meine Herrin wird über das neue Land richten und ich werde als reicher Mann an ihrer Seite stehen, wir werden siegreich zurückkehren!" Sein Ruf verhallte schließlich, sowie die Hintergrundgeräusche der angeblichen anderen, kämpfenden Soldaten. Zu hören war nun eine wieder ruhigere Melodie, während beide Seiten sich bereit machten, sich gegenseitig zu bekämpfen. Seelenruhig hatte Salvai seinen Bogen vom Rücken genommen und war dabei einen Pfeil zu ziehen, aufgrund seiner gespielten Überheblichkeit hatte er sich Zeit gelassen. Maestro und Isaac nutzten daher die Gelegenheit ihn anzugreifen, woraufhin Salvai sein Messer ziehen musste um beide Klingen abzuwehren. Der Bogen fiel dabei zu Boden. Sie hatten die Stelle ausreichend trainiert, sonst würde Salvai Probleme haben wirklich so gut und schnell reagieren zu können. Was den Nahkampf betraf hatten sie ihm lieber kein echtes Schwert anvertraut, so verteidigte sich also der Söldner mit seinem langen Messer und schaffte es, mit einem festen Tritt beide Gegner von sich wegzustoßen. Sie landeten unsanft einige Meter von ihm zu Boden, woraufhin Salvai nun seinen Bogen vom Boden hob und auf Abstand ging. Es verlief schnell, der Pfeil war gezogen und angelegt, die Menge war bereits bei dem kurzen Klingenaustausch aufgeheizt doch jetzt wurde der Kampf ernst. Sie verwendeten echte Waffen und die Spannung wurde durch die Musik nur noch gesteigert. Weit im Hintergrund waren noch immer Veira und ihre Kinder zu sehen, in ihrer Hand hielt sie die Rose. Lissie hatte sich neben sie gekniet und legte zwei Finger an ein rotes Blütenblatt. Die Musik wurde immer schneller und verstummte urplötzlich, Stille herrschte. Die beiden Männer hatten sich aufgerappelt und hoben ihre Schwerter auf, Salvai hielt den Pfeil zwischen seinen Fingern, der Bogen war gespannt. Als würde sich die Szene nun in Zeitlupe bewegen. Begannen Veira und Lissie zeitgleich zu singen, während eine ruhige aber traurige Melodie nun den Platz heimsuchte.

"Weh, weh... mein Herz ist schwer. Gab für immer meinen Liebsten her. Seine wilde Rose blüht nicht mehr..." Lissie, begann schließlich das erste Rosenblatt zu zupfen, welches langsam zu Boden segelte. Der Refrain wiederholte sich. "Mein Liebster zog in die Schlacht dahin, und rief Solang ich siegreich bin, wird diese wilde Rose blühen. Ich gab der Blume seinen Namen, sie blühte stolz und unbeugsam... bis eines Nachts dann der Winter kam..." Der Gesang war so schön gesungen, dass Salvai seine eisige Mine nur schwer beibehalten konnte. Die Stimme von Veira war schön, aber die seiner Verlobten nahm ihm wie immer den Atem. Vor allem als sie beim singen in seine Richtung blickte. Salvai richtete schließlich den Pfeil auf Maestro, welcher sich gerade wieder auf die Beine gekämpft hatte, starrte ihn an. Es ging schnell, als der Pfeil sich tatsächlich löste und augenscheinlich die Brust des Soldaten durchbohrte. Nicht wenige waren geschockt, als Maestro fiel und Isaac ihn auffing. Das Lied erreichte schließlich seinen Höhepunkt, als Isaac auf dem Boden kniete und Maestro vor ihm lag. Der Pfeil steckte dabei nach wie vor in seiner Brust, natürlich war er nicht ernsthaft verletzt. Unter seiner Uniform trug er ein kleines Stück Holz, in dem der Pfeil auch steckte. Salvai fühlte sich noch immer geehrt das die Art des Vertrauens in dem Stück einfloss, mit Pfeil und Bogen hatte er noch nie sein Ziel verfehlt. "Weh, weh... mein Herz ist schwer. Gab für immer meinen Liebsten her. Seine wilde Rose blüht nicht mehr..." Das Lied endete und alle Rosenblätter waren zu Boden gesegelt, Tränen liefen über Veiras Wangen. Die Musik wandelte sich wieder zu einer abenteuerlichen Melodie. Erneut legte Salvai einen Pfeil an, doch bevor er noch auf Isaac schießen konnte löste dieser sich von seinem toten Freund und griff ihn an. Erneut verteidigte er sich mit seinem Messer, Pfeile und Bogen landeten erneut auf dem Boden. Der Kampf endete schließlich als Isaac ihm den Dolch aus der Hand geschlagen hatte und im Kampf nach diesem Griff, um Salvai nun augenscheinlich zu erstechen. Der Kampf war zwar gescripted, allerdings hatten sie durchaus einige stärkere Hiebe eingesteckt. Salvai hielt sich den Bauch als Isaac das Messer herauszog, so das der braunhaarige auf die Knie sackte und schließlich zur Seite fiel. Der Kampf hatte schließlich ein rasches Ende genommen, Isaac trauerte und hielt die Hand seines Kameraden während Lissie und Rosetta nun das Schlachtfeld betraten. Sie sprachen darüber das der Krieg durch diesen Kampf noch lange nicht entschieden ist, es würde weitergehen bis eine Seite nicht mehr kämpfen konnte. Es war sinnlos und erforderte lediglich Tränen. Die Hauptaussage des Schauspiels, das tragische Ende sackte noch etwas während sich alle Schauspieler auf die Bühne begaben und diejenigen welche auf dem Boden lagen sich erhoben. Vor allem als Maestro Aufstand und sich den Pfeil aus der Brust zog, begannen die ersten Jubelrufe. Hier und da waren auch Taschentücher ausgerüstet worden, da vor allem die Damen bei dem Stück emotional geworden waren.

Der zweite Akt des Stücks verlief wie erwartet, war aber deshalb nicht weniger fesselnd. Als Veira und Lissandra gemeinsam ansetzten um das Finale einzuläuten war für den Moment der gestrige Abend vergessen. Die Stimme der Grünhaarigen war für so viel mehr gemacht als Theaterstücken auf kleinen Marktbühnen. Doch damit nicht genug. Tetetra überraschte nicht nur mich mit dem finalen Kampf. Salvai schoss tatsächlich mit einem Pfeil, welcher geschaffen worden war um zu töten auf Maestro. Die Gruppe musste ein Vertrauen in den Braunhaarigen legen, welches meinem Vertrauen in Vitas nahe kam. Eines war sicher: Ich wollte niemals derjenige sein auf wen dieser Pfeil gerichtet wurde. Begeistert verfolgte ich das Schauspiel bis sich Tetetra schließlich auf der Bühne versammelte und damit das Ende einläutete. Erst der tosende Applaus riss mich zurück in die Realität. Eine Realität, welche nicht weniger unbarmherzig war als das Schauspiel, welches dieses beeindruckend wiedergegeben hatte. „Lass uns gehen“, hörte ich mich selbst sagen während ich den Blick von den Schaustellern abwandte und mich von der Bühne entfernen wollte. Jedoch gelang es mir nicht einmal mich umzudrehen ehe Vitas‘ Hand auf meiner Schulter landete. „Wieso willst du nicht mit ihnen sprechen?“ Jegliches Amüsement war aus der Stimme des Weißhaarigen gewichen, sein Blick fing den meinen und es fühlte sich an als würde er direkt in mein Innerstes blicken auf der Suche nach einer Antwort. „Was soll ich den sagen? Es tut mir leid wie ich gestern reagiert habe aber ich bin eines der besungenen Monster?!“, fauchte ich leise, wechselte dabei jedoch gleichzeitig in unsere Muttersprache um zu verhindern, dass uns trotz der Begeisterungsrufe um uns herum jemand verstand. „Das ist vielleicht etwas zu direkt. Überlass mir den Anfang aber lasse diese Chance nicht ungenutzt verstreichen.“

Ich wusste, dass ich noch immer Nein sagen konnte, trotz seiner eindringlichen Worte. Doch schien es Vitas aus einem Grund, welchen ich nicht nachvollziehen konnte wichtig, dass ich noch einmal das Gespräch mit der Gruppe suchte. „Na gut“, gab ich mich geschlagen. Wenn er sehen wollte, wie sie mir den Rücken zuwandten, dann würde ich das für ihn über mich ergehen lassen. Ein kurzes zufriedenes Lächeln huschte über Vitas‘ Lippen. Die Hand von meiner Schulter nehmend bahnte er sich erneut einen Weg durch die Menge, welche sich wie immer für ihn teilte. Schweigend folgte ich, den Blick fest auf seinen Rücken gerichtet. Ich wollte nicht sehen ob die Gruppe mich bereits ausgemacht hatte, sie würde es wohl spätestens dann als Vitas vor den Stufen stehen blieb und großzügig einige Münzen zu denen von diversen anderen Leuten in einen der Hüte warf ehe er an der Bühne entlang nach hinten ging um dort darauf zu warten, dass Tetetra ihren Auftritt beendete und zu uns stieß. Allerdings waren wir wohl nicht die einzigen mit der Absicht sich noch mit der Gruppe zu unterhalten. Vor allem mehrere junge Frauen, welche sich angeregt über Isaac unterhielten, schienen es darauf abgesehen haben die Aufmerksamkeit des jungen Mannes für sich zu gewinnen. Den Blick noch immer auf das Ōdachi gerichtet blieb ich einen Schritt hinter Vitas stehen und wartete auf was auch immer gleich geschehen würde.

Salvai
Der braunhaarige stand zusammen mit seiner Gruppe noch länger auf der Bühne, mehrmals verneigten sie sich bis das Klatschen langsam wieder verstummte. Es waren nicht wenige Münzen die klapperten, es dauerte etwas bis der erste rege Ansturm sich schließlich entfernte und lediglich die Leute blieben, die noch mit den Schaustellern reden wollten. Maestro und seine Familie sprachen noch mit einer großen Anzahl an begeisterten Zuschauern. Rosetta kümmerte sich schließlich darum, die Münzen in eine etwas größere Tasche zu füllen um möglichen Diebstahl noch vorzubeugen, wenn die Hüte unnötig lange mit der Menge an Geld auf den Stufen lagen. Salvai hob schließlich einige am Boden verstreute Pfeile auf und schnallte sich wieder alles auf den Rücken, er erhielt Schulterklopfer von seinen Freunden und anerkennende Worte die er nur zurückgeben konnte. Der Rest der Gruppe verließ nun schließlich die Bühne nach hinten, dort erhielt Salvai auch eine etwas längere Umarmung seiner Verlobten. Begeistert sprachen sie über das Stück während sie sich nach draußen begaben, auch die anderen wurden jeweils von Begeisterung und Lob überschüttet. Während Lissie ihren Hut abnahm, um darin weitere Münzen zu sammeln blieb er in ihrer Nähe. Isaac unterhielt sich mit vielen jungen Frauen in seinem Alter, sein Lachen war fast über den ganzen Platz zu hören. Auch Annette erhielt reichlich Komplimente und es waren auch nicht wenige die sich zu ihm begaben, um ihn für seine schauspielerische Leistung zu loben. Nicht nur Frauen befanden sich um ihn, sondern auch junge und alte Männer, die wohl ziemlich begeistert von seiner Treffsicherheit mit dem Bogen gewesen waren. Einen derartigen Ansturm war er nicht einmal wirklich gewöhnt, weshalb sich seine Wangen dauerhaft rot gefärbt hatten. Es wurden Hände geschüttelt, Münzen in die Hand gedrückt, die Frauen konnte er damit umgehen, in dem er sich demonstrativ zu Lissie stellte und ihr einen Arm um die Taille gelegt hatte. Ihre Haare welche streng zusammen gebunden waren hatten sich gelockert, die Fülle lies sich nicht lange bändigen. Allerdings gab es durchaus einige, welche sich über das Stück echauffierten, so konnte man lautstark Jakob bei einer Diskussion hören. So schnell wie die Menschen allerdings gekommen waren, desto weniger wurden sie wieder. Salvai hatte den Griff um Lissie etwas verstärkt während sie noch den ein oder anderen Dank aussprachen. Er grinste sie breit an, als seine Verlobte ihm nun fast schon aufgeregt auf die Schulter klopfte und in eine Richtung deutete. Sich leicht drehend erkannte er nun Viren, zusammen mit seinem weißhaarigen Begleiter. Jetzt fiel ihm wieder ein das er sie kurz von der Bühne aus gesehen hatte, aber zugegeben hatte er nicht damit gerechnet das sie ebenfalls herkommen würden. Die Freude darüber war ihm deutlich anzusehen, auch Lissie freute sich, auch wenn natürlich die gewisse Unsicherheit in der Luft lag.

Nun standen wir dort … und warteten während ich gegen das Bedürfnis ankämpfte unruhig von einem Bein auf das andere zu treten. Schlussendlich lief meine Geduld aus und ich löste den Blick von Vitas‘ Rücken um selbst zu sehen weshalb er sich noch immer nicht von der Stelle bewegt hatte. Der Erfolg des Auftritts war einschlägig gewesen. Inzwischen hatte sich die Menge an Leuten, welche noch ein Wort mit den Schaustellern hatte wechseln wollen ausgedünnt aber noch nicht gänzlich aufgelöst. Jakob diskutierte noch immer mit einem Herrn in seinem Alter, dessen Stimme bereits seit geraumer Zeit zu hören war. Ich beobachtete wie Maestro sich ebenfalls zu den beiden stellte ehe mein Blick weiter glitt und auf Salvai uns Lissandra fiel. Arm in Arm standen sie dort und unterhielten sich mit einer jungen Dame. Auch wenn ich das Gespräch nicht verstehe konnte, ging es scheinbar um Salvais Schießkünste, der Gestik der Dame nach zu schließen. Ich wusste noch immer nicht was ich sagen sollte, also beobachtete ich die drei weiter bis die Blondine sich verabschiedete und Lissandra mich ganz offenbar entdeckte. Sie klopfte Salvai auf die Schulter und zeigte in unsere Richtung. Das war wohl auch für Vitas das Zeichen endlich etwas zu unternehmen. Mit einem freundlichen und zugleich begeisterten Lächeln auf den Lippen setzte er sich in Bewegung in Richtung der beiden. Ich folgte wie automatisch. Die beiden Schausteller schienen überraschenderweise erfreut mich wiederzusehen und doch konnte ich die Unsicherheit in der Luft immer deutlicher fühlen je näher wir kamen. Sie wussten nicht was sie mit mir anfangen sollten. Naja, immerhin machte das schonmal drei von uns. Vitas hingegen schien ein Ziel vor Augen zu haben.

„Es ist mir eine Freude Eure Bekanntschaft zu machen“, setzte er an während er in angebrachtem Abstand vor den beiden anhielt. Er strahlte eine unerschütterliche Ruhe und Bestimmtheit aus, welche in hartem Kontrast zu der beinahe greifbaren Unsicherheit zwischen den beiden Schaustellern und mir lag. „Viren hat mir bereits von dem gestrigen Zusammentreffen berichtet aber Euer Auftritt hat seine Einschätzung noch übertroffen.“ Wenn Vitas schauspielerte war es selbst für mich beinahe unmöglich Realität von Lüge zu trennen aber in diesem Moment konnte ich nur Ehrlichkeit aus seinen Worten hören. Das Stück hatte ihn beeindruckt. „Vitas“, stellte er sich schließlich selbst vor und deutete mit einem Kopfnicken eine sehr dürftige Variante einer Verbeugung an. Allerdings war diese bei ihm wohl auch nicht notwendig. Die meisten Leute waren bei einer ersten Begegnung mit dem Weißhaarigen derart von seiner Stimme abgelenkt, dass er sich nahezu alles würde erlauben können. Sie war tief und dunkel. Die treffendste Beschreibung, welche ich bisher gehört hatte war diese gewesen: Wenn die Sünde der Lust eine Stimme hätte, würde sie wie jene von Vitas klingen. Es lag weder Magie darin noch versuchte mein Begleiter zu verführen. Es war schlicht und ergreifend naturgegeben. Würde er versuchen zu verführen, wären sämtliche Leute in Hörreichweite bereits dabei sich die Kleider vom Leib zu reißen. Die Reaktionen auf seine Stimme waren immer wieder interessant zu beobachten. Ich war einen knappen Schritt seitlich hinter Vitas stehen geblieben und wartete noch immer sichtlich unruhig ab worauf er den nun hinauswollte. Bisher waren seine Worte nur grüßende Nettigkeiten gewesen, wenn auch ehrlich gemeinte. Doch pausierte er erst einmal um Lissandra und Salvai Gelegenheit zu geben zu reagieren ehe er sie mit einem Monolog ertränkte.

Salvai
Nur langsam lies er seine Verlobte los, welche sich den Hut voller Münzen unter den Arm klemmte. Es war schließlich Virens Begleiter der als erstes das Wort an sie richtete, "Die Freude ist ganz unsererseits." Sagte er und trat einen Schritt vor, um Vitas ebenfalls seine Hand zum Gruß zu reichen. "Es freut uns das ihr dem Schauspiel beigewohnt habt." Ertönte die Stimme von Lissie, Ehrlichkeit lag darin. Salvai musste gestehen, das Virens Begleiter den selben Eindruck vermittelte wie der schwarzhaarige. Auch das Schwert was er bei sich trug war beeindruckend, allerdings kam ihm die Form nicht bekannt vor. Es wirkte exotisch. "Salvai Galliard." Fügte er nun mit an, während Lissie leicht den Kopf neigte um auf die Art die Begrüßung zu zollen. "Lissandra Hastingard." Erneut war auffällig, dass Vitas sich ebenfalls ohne Nachnamen vorgestellt hatte. Aber der braunhaarige hatte seine Gedanken längst wieder auf Viren gerichtet, die ganze Nacht über hatten sie darüber nachgedacht weshalb er so reagiert haben könnte. Langsam vermutete er das es etwas mit dem Thema des Liedes zu tun gehabt hatte, immerhin konnten sie die Möglichkeit ausschließen das es an der Melodie gelegen hatte. Man wusste nie wann jemand sentimental wurde, wenn die Klänge aus der Heimat zu hören waren, aber er hatte sie immerhin von sich aus gespielt. Es war gut möglich das er sich durch den Liedtext an etwas erinnert hatte oder sonstiges, aber sich weiter den Kopf darüber zu zerbrechen würde nichts bringen... also waren sie bei dem Stand verblieben. Er hatte aber erhofft Viren wieder zu sehen, er hatte seine Gesellschaft genossen und hatte immer noch den Wunsch mehr über ihn zu erfahren. Auch Lissies Blick haftete länger und musternd auf Vitas, erstaunlicherweise hatte sie sich Virens Licht genau so vorgestellt. Und auch sie war nicht wenig von seiner Waffe beeindruckt, mit Sicherheit käme sie noch darauf zu sprechen. Jakob hatte Recht damit gehabt das sie ihn noch einmal sehen würden.

Vitas griff nach Salvais dargebotener Hand um die Begrüßung mit einem Händedruck zu besiegeln. Die beiden Schausteller reagierten nicht weniger höflich aber kurz angebunden als Vitas ehe sie uns wieder das Wort überließen. „Da die Formalitäten nun erledigt sind, sollten wir uns dem Elefanten im Raum zuwenden, wie es so schön heißt. Die Anspannung zwischen euch ist beinahe mit Händen greifbar“, setzte mein Begleiter an. Anstatt jedoch selbst weiter zu sprechen, drehte er sich in meine Richtung. „Viren?“ Mein Blick zuckte von ihm, erst zu Salvai und kam schließlich auf Lissandra zum liegen. Ja, Vitas hatte Recht. Ich sollte das Thema selbst ansprechen anstatt es immer ihm zu überlassen, meine Auseinandersetzungen zu regeln. „Wieso musste der Wassermann ein Monster sein?“, fiel ich ohne Umschweife mit meinem Problem zur Tür herein. „Ihr sagtet, die Inspiration stammt von einem Gemälde eures Vaters. Ein Liebespaar im Wasser. Wieso konnte es keine gegenseitige Liebe sein? Wieso musste die Beziehung auf Zwang basieren? Weil jeder der anders ist, ein Monster ist?! Weil es nicht möglich ist jemanden zu lieben, der anders ist?!“ Obwohl ich mich weder von der Stelle bewegte noch anfing zu gestikulieren, steigerte mich mit jedem Satz mehr hinein und nur die Berührung von Vitas‘ Hand an meiner verhinderte, dass ich den gesamten Marktplatz an diesem Gespräch teilhaben ließ. Stattdessen hielt ich die Lautstärke mühsam gesenkt, was jedoch nicht die Ablehnung dieser Einstellung gegenüber in meiner Stimme schmälerte. Der Sturm hinter meinen Augen lebte auf, doch noch hielt er sich in Grenzen.

Ich wollte Lissandras Antwort hören. Ich wollte wissen, weshalb sie das Lied so geschrieben hatte und nicht anders. Für den Moment war Salvai vergessen. Mein gesamter Fokus lag auf der Grünhaarigen während ich mein Bestes tat um einige Male durchzuatmen und mich wieder zu sammeln und zugleich versuchte den Teil von mir zu ignorieren, welcher hoffte, dass sie eine verdammt gute Antwort parat hatte. „Eure Schwertkunst hat das Potenzial Vitas zu beeindrucken. Eurer Stimme ist es bereits gelungen“, hörte ich mich dennoch plötzlich vollkommen ruhig sagen und einem Teil von mir war bewusst, dass die Grünhaarigen nicht wissen konnte, wie hoch die Standards meines Begleiters waren und wie schwer dieses Kompliment somit wog. „Es ist lange her, dass ich mich wirklich willkommen in einer Gruppe von Fremden gefühlt habe.“ Meine Zunge bewegte sich ohne einen aktiven Befehl von meinem Gehirn zu erhalten. Ich wusste, dass Vitas eingreifen würde, sollte ich zu viel sagen. Also dachte ich nicht wirklich über meine Worte nach sondern sprach aus, was ich fühlte. War es naiv zu hoffen, dass sie einen guten Grund für ihre Interpretation des Gemäldes hatte? Vermutlich. Und dennoch wollte ich ihre Antwort hören. „Also: Wieso?“, endete ich schließlich kaum hörbar.

Salvai
Es war offensichtlich, dass es Virens Freund war welcher ihn wohl dazu überzeugt haben musste das Schauspiel anzusehen und das Gespräch mit ihnen zu suchen. Allerdings schienen ihre bisherigen Überlegungen - das Thema des Liedes - sich zu Bewahrheiten. Er spürte Lissies Arm als sie sich wieder leicht einhakte nachdem er die Hand von Vitas wieder zurückgezogen hatte, auch er blickte wie die anderen nun zu seiner Verlobten. Er vermutete bereits was sie antworten würde, auch wenn nur sie wissen konnte weshalb sie es geschrieben hatte. Kurz herrschte Stille, Lissie schien ihre Wortwahl zu überlegen als sie nun zu einer Erklärung ansetzte. Den Blick dabei auf Viren gerichtet dem die Gefühle darüber anzusehen und herauszuhören waren. "Wir sind Schausteller, Sänger und Dichter. Unsere Kunst kann verletzen, wir wissen nicht wie ein jeder darauf reagiert, aber eines sollte sicher sein, es steht uns frei zu erzählen und zu singen was wir wollen." Ihre Stimme war weich, eine gewisse Härte lag darin die mit dem sprechen aber abnahm und einen immer sanfter werdenden Ton inne hielt. "Ich schreibe viele Lieder, in viele verschiedene Richtungen. Die einen handeln um eine nicht erwiderte Liebe wie es das mit dem Wassermann ausgedrückt hat. Andere davon wie Menschen einen Elfen betrogen hatten um an sein Blut zu gelangen, Handlungen in denen Jäger die Bösen sind. Menschen die eine echte Hexe verbrannt hatten, die ihnen gegenüber aber gut gewillt gewesen war und die Voreingenommenheit der Menschen aufzeigt. Von jagenden und zerstörenden Drachen, bis hin zu meinem Lied der den letzten, nicht ausgerotteten Drachen beinhaltet der durch Menschen einsam und verbittert gemacht wurde." Kurz verweilte ihr Blick auf Salvai, bevor sie wieder zu Viren blickte. "Ich wurde adelig geboren, schreibe aber Stücke in denen die bösen Reichen Macht- und Geldgierig sind. Es mag nicht auf jeden oder immer zutreffen was wir besingen, aber Kunst ist frei und würde ich mich jedes Mal davon angegriffen fühlen sollte ich mich keinen Künstler nennen." Was sie damit ausdrücken wollte war, dass nicht ihr Fokus darauf bestand übernatürliche Wesen schlecht zu sprechen, sondern ihre Kreativität sich eben so entwickelt hatte. "Geschichten in denen Frauen entweder die Opfer, die Heldin oder das Böse verkörpern. Unsere Kunst eckt an vieles an, an den Glauben, an das Königshaus, Arm und Reich, Hass und Liebe, mystisch oder nicht mystisch. Ich verstehe wenn Euch das Thema getroffen und erzürnt hat, aber Ihr macht Euch zu viele Gedanken darüber. Ich hoffe Ihr könnt meine Sicht nachvollziehen, sollten wir wieder am Lagerfeuer sitzen täte ich das berücksichtigen, jetzt da ich von Eurer Meinung darüber weiß." Sie holte schließlich kurz Luft als ihr Redefluss stoppte, dabei sah sie Viren nach wie vor ernst an. "Warum genau ich das Bild nun auf diese Art in das Lied umgewandelt habe kann ich Euch nicht genau sagen, aber ich hoffe Ihr versteht was ich damit sagen möchte." Sie sprach verständnisvoll aber fest, die grünhaarige hatte ihren Standpunkt klar gemacht. Es lag nun an Viren darüber zu entscheiden wie er mit ihrer Antwort umgehen würde. Salvai hörte dem ruhig zu, teilte aber die selbe Meinung wie seine Verlobte. Es hatte nicht in ihrer Absicht gelegen ihn zu verletzen, was er hoffentlich wusste. Die letzten Worte von Viren sorgten schließlich dafür das der braunhaarige nun ebenfalls etwas sagte. "Ihr seid nach wie vor Willkommen, falls Ihr Euch darüber Gedanken gemacht habt. Außerdem kann ich meiner Verlobten nur zustimmen." Das Kompliment über ihre Schwertkunst und der Stimme nahm Lissie schließlich mit einem kurzen Lächeln zur Kenntnis, allerdings ging sie nicht weiter darauf ein wenn gerade das andere Thema noch in der Luft hing.

Lissandras Antwort ließ sich mit zwei Worten zusammenfassen. „Künstlerische Freiheit“, sagte ich leise. Natürlich konnte ich diese verstehen. Und ich würde mit Sicherheit niemanden deshalb verurteilen aber dies war auch nicht der eigentliche Punkt für meinen Unwillen mich noch einmal mit den Schaustellern zu treffen. Doch würde mehr zu sagen, nicht zu weit gehen? Sie waren Fremde. Wieso sollte ich ihnen mein Innenleben darlegen? Ich zögerte, schwieg für einige zu lange Sekunden. Vitas Hand stahl sich in meine, zwang meine Faust sich zu lösen und verhinderte, dass ich mir mit den Fingernägeln die eigene Haut aufriss. Jedoch lag noch etwas anderes in der Geste. Die wortlose Versicherung, dass es in Ordnung war weiter zu sprechen. „Kleine unwichtige Dinge“, wiederholte ich deshalb noch einmal Lissandras Worte vom Vortag. „Ihr basiert Eure Texte auf kleinen unwichtigen Dingen.“ Noch immer war meine Stimme ruhig, bar jeglicher Emotion. Die Ruhe vor dem Sturm. Doch mein Blick verließ für keinen Moment den der Grünhaarigen. Ich wollte ihre Reaktion auf meine Worte sehen und keine noch so kleine Geste verpassen. „Nichts daran, jemanden für seine Herkunft zu verurteilen ist klein oder unwichtig“, stellte ich klar. „Ihr habt mich nicht erzürnt … sondern verletzt“, korrigierte ich mit einem Zittern in der Stimme ihre Ansicht. „Egal ob Wassermann oder Mensch. Ob adelig oder bürgerlich. Ob Mann oder Frau. Niemand kann sich die Umstände seiner Geburt aussuchen. Niemand verdient es dafür verurteilt zu werden“, führte ich weiter aus während die Emotionen in meine Stimme zurückkehrten. Wut. Schmerz. Unverständnis darüber, wie ich mich so sehr in ihr getäuscht haben konnte. „Nichts daran ist klein oder unwichtig“, wiederholte ich noch einmal heftig ihre Wortwahl, welche mich derart getroffen hatte und ließ keinen Zweifel daran, dass dies ein Standpunkt war von welchem ich nicht abweichen würde.