Salvai
Das Feuer brannte wieder hoch, so das der braunhaarige seinen auf dem Boden abgestellten Becher wieder zur Hand nahm und sich schließlich an Virens rechte Seite setzte. Noch immer war er erheitert und grinste breit, vor allem als Viren die Schwertkünste seiner Verlobten lobte. Zu gerne hätte er mehr von dem Kampf gesehen, so wie sie voneinander sprachen. Aber allein der Anfang war beeindruckend gewesen, die Schwertkunst war etwas für die er einfach nicht gemacht war. Lissie und Viren waren allerdings sehr begabt und geübt darin und davor hatte er Respekt. "Wo habt Ihr gelernt, so mit dem Schwert umzugehen?" Erkundigte sich der Jäger schließlich, es interessierte ihn eben woher ein einfacher Barde solch eine Kunst beherrschte. Lissie prostete Viren und den anderen nach Isaacs Worten leicht zu und trank etwas. Virens Worte sorgten für ein breites Lächeln, "Das selbe gilt für mich, es ist lange her das ich jemanden traf der so gut ist wie Ihr." Allerdings glitt ihr Blick nachdenklich zum Feuer, sie schwelgte etwas in alten Erinnerungen, denn Viren erinnerte sie durchaus an ihren damaligen Lehrer. Ohne ihn hätte sie niemals das Können derart mit einem Schwert umzugehen. Nachdem alle leicht in die Luft geprostet hatten, seufzte Jakob etwas und warf Annette schließlich einen kurzen Blick zu. "Gib den beiden einen halben Becher." Womit er zusätzlich noch Rosetta meinte, die nach wie vor neben Isaac saß und den Blick auf Viren gerichtet hielt. Maestro lachte etwas und trank seinen Becher aus, bevor er Jakob auf die Schulter klopfte. "Gut so, die beiden müssen immerhin erwachsen werden." Jakob schob etwas wirsch Maestros Hand zur Seite, "Zum erwachsen werden gehört kein Alkohol, aber es ist zumindest wichtig das sie lernen damit verantwortungsbewusst umzugehen." Schließlich begannen beide etwas zu diskutieren, was irgendwann zu dem Thema abdriftete das Maestro nicht wusste, wie er mit dem Älter werden seiner Kinder umgehen sollte. Veira lehnte sich weiterhin gegen die Schulter ihres Mannes und drückte ihm irgendwann einen Kuss auf die Wange, "Ich glaube für dich wird es auch langsam Zeit für das Bett." Sagte sie schließlich warm, mit einem warnenden Unterton. Das Maestro gut beisammen war ging immerhin bereits seit mehreren Stunden. Annette klopfte sich schließlich die Taschen mit den eingesammelten Kreuzern, bevor sie dann auf Jakobs Wunsch hin den beiden Jugendlichen zwei halbvolle Becher einfüllte. Isaac grinste dabei breit und voller Vorfreude.

„Auf unseren neuen Freund, den Barden der vielleicht doch beeindruckender ist als es den Anschein macht“, lies Isaac es sich nicht nehmen sogleich begeistert zur nächsten Runde anzusetzen nachdem er nun selbst einen gefüllten Becher in der Hand hatte. Mir war bewusst, dass er auf seinen ersten Kommentar nach meinem Eintreffen hier anspielte. Er wollte unterhaltsam sein und klang durchaus als hätte er seinen ersten Eindruck von mir inzwischen revidiert und doch sträubte sich etwas in mir bei dem Gedanken zu irgendeinem Zeitpunkt unbeeindruckend zu sein. Ich schnaubte daraufhin nur scheinbar resigniert und stellte etwas überrascht fest, dies zeitgleich mit Jakob getan zu haben. Der Blick des älteren Mannes fing den meinen und wir begannen beide zu lachen, amüsiert über unsere Synchronität. „Auf unseren neuen Freund“, wiederholte Jakob schließlich die Worte seines Sohnes, hob dabei seinen Becher an. „Auf unseren neuen Freund!“, stimmen die anderen mit ein. Becher wurden gehoben, stießen gegeneinander wo sie nahegenug beisammen waren. „Auf Tetetra“, fügte ich hinzu als ich meinen eigenen Becher anhob. Auch wenn wir uns erst kennengelernt hatten, mochte ich die Gruppe. Ich fühlte mich wohl in ihrer Gegenwart und war froh darüber, dass Vitas mich nicht aus der Stadt geholt hatte ehe ich Salvais Einladung hatte annehmen können.

„Hey!“, durchbrach Maestros Protest die Stille, welche versucht hatte sich auszubreiten während alle sich ihrem Getränk widmeten. Veira hatte ihm seinen Becher aus der Hand genommen ehe er ihn an die Lippen hatte führen können und leerte den Inhalt nun selbst mit einem Schluck. Viel konnte das Gefäß also nicht mehr beinhaltet haben. „Ich bin kein Kind. Es ist noch viel zu früh um sich schlafen zu legen“, empörte sich der Blonde, klang dabei überzeugend wie ein beleidigtes Kleinkind. Allerdings war sein warmes an Veira gerichtetes Lächeln ein eindeutiges Zeichen dafür, dass er nur schauspielerte. „Ist das so?“, fragte die Braunhaarige amüsiert während sie beide Becher auf der Bank abstellte ehe sie sich nachdenklich mit dem Zeigefinger gegen das Kinn tippte. „Ein Vorschlag zur Güte: Wenn es dir gelingt in einer geraden Linie von hier zum Wagen und zurück zu laufen, darfst du bei den Erwachsenen am Feuer bleiben.“ Issac lachte auf ihre Worte hin auf und auch die anderen schnaubten amüsiert. Allen war bewusst, dass es dem Blonden vermutlich nicht einmal gelingen würde alleine aufzustehen, geschweige denn zu laufen. An eine gerade Linie wollte ich dabei nicht einmal denken.

Doch zu meiner Überraschung stemmte sich der Hellhaarige mit einem zustimmenden Schnauben von selbst auf die Beine. Es gelangen ihm sogar zwei Schritte ehe er das Gleichgewicht verlor und in die wartenden Arme seiner Frau kippte, welche ihm gefolgt war. „Ich bringe unser großes Kind dann auch mal ins Bett“, verabschiedete sich Veira mit einem Grinsen in die Runde, welches sowohl von Isaac als auch von Rosetta mit einem Heben ihrer Becher quittiert wurde. Schweigend beobachtete ich die Truppe ehe ich mich mit einem belustigten Lächeln an Salvai wandte. „Eure Frage ist mir nicht entgangen“, lies ich ihn wissen, dass ich nur das Hin und Her von Veira und ihrem Mann nicht hatte unterbrechen wollen. „Die Antwort lautet Vitas, mein Begleiter.“ Mein Blick glitt einmal zwischen dem Braunhaarigen und seiner Verlobten hin und her ehe er erneut auf Salvai zu liegen kam. „Dieser Mann ist nicht zu besiegen“, fuhr ich mit einem niedergeschlagenen Seufzen fort, während meine freie Hand unbewusst über meine rechte Seite strich, wo der Weißhaarige mich bei unserem letzten Training erwischt hatte. Heftig aber nicht stark genug um Spuren zu hinterlassen.

„Eure Verlobte besitzt ein herausragendes Können mit ihrer Klinge, doch Vitas würde uns beiden in einer ernsthaften Auseinandersetzung innerhalb kürzester Zeit ein Ende bereiten.“ Das gute gelaunte Lächeln kehrte auf meine Züge zurück und zeigte, dass ich mich nicht an dieser Tatsache störte. Für einen Moment zog ich in Betracht nach Lissandras Lehrmeister zu fragen. Unter Umständen könnte dieser Vitas immerhin für einen Trainingskampf unterhalten. Allerdings war mir der Blick der Grünhaarigen nicht entgangen mit welchem sie sich vorhin von uns ab und dem Feuer zugewandt hatte, weshalb ich beschloss dies für den Moment nicht weiter zu vertiefen. „Und womit verbringt Ihr Eure Abende, wenn Ihr unter Euch seid?“, wechselte ich deshalb das Thema. Die Frage war neugierig in die Runde geworfen und sollte eigentlich nur die Weichen für den Fortgang dieses Abends stellen.

Salvai
Als Jakob auf Viren prostete, erhoben er und Lissie ebenfalls die Becher und zeitgleich erfolgte von ihnen ebenfalls ein, "Auf unseren neuen Freund!" Kurz verharrte Salvais Blick wachsam auf seiner Verlobten, als sie schließlich den Becher an ihre Lippen führte und kräftig davon trank. Es war nicht selten, dass er auf sie acht geben musste wenn sie sich zu viel Wein genehmigte, denn sonderlich viel vertragen tat sie nicht. "Auf Tetetra." Fügte Salvai schließlich noch mit an und trank schließlich ebenfalls vom Wein. Die Arme schließlich auf die Knie abstützend lehnte er sich so etwas weiter nach vorne, um dann das nette Geplänkel zwischen Veira und Maestro zu beobachten. Schließlich erntete ihr kleines Spielchen ein Lachen seinerseits und der anderen. "Gute Nacht Maestro." Sagte der braunhaarige schließlich mit einem breiten Grinsen, als Veira ihren Mann schließlich an den Bänken vorbei zum Wagen führte. Darauf folgte ein brummeln, sowie weiteres Gezetter das er kein Kind war um das man sich kümmern musste.

Viren wandte sich schließlich wieder an ihn um noch auf seine Frage einzugehen, auf dessen Antwort er natürlich schon gespannt war. "Euer Begleiter steckt wirklich voller Überraschungen, die Schwertkunst hat er Euch gut geleehrt." Kam es schließlich von Lissie, die den Blick vom Feuer abgewandt hatte um zu den beiden zu sehen. Salvai genehmigte sich erneut einen Schluck, während seine goldenen Augen interessiert auf Viren lagen. So wie er von seiner Begleitung sprach, von Vitas, schien es wirklich als wäre dieser unbesiegbar im Kampf. Es steigerte natürlich die Neugierde was wohl hinter seinem Begleiter steckte, aber noch mehr würde er gerne über Viren wissen. Ein Barde der nicht nur die schönste, männliche Singstimme hatte die er je hatte hören dürfen - sondern zusätzlich noch nahezu perfekt Schauspielern und mit dem Schwert umgehen konnte. "Hast du gehört Lissie? Das bedeutet das du noch ein wenig üben musst." Zog er schließlich seine Verlobte auf, die darauf lediglich mit einem Lachen und einen Tritt in seine Richtung antwortete.

Virens Frage wurde schließlich zuerst von Rosetta beantwortet, dabei hatte sie mit beiden Händen den Becher umklammert. "Wir verbringen viel Zeit zusammen, wenn wir aber nicht gerade am Lagerfeuer sitzen bummeln wir durch die Stadt, üben für unsere nächsten Auftritte oder gehen unseren Aufgaben außerhalb der Theaterauftritte nach." Ihr war merklich kalt, allerdings dauerte es nicht lange bis Isaac ihr schließlich seine Jacke umgelegt hatte, wofür sie sich dann auch bedankte. Sein Vater welcher nach wie vor am Boden saß und zu dem sich Annette bequemt hatte musste deswegen warm lächeln, "Die meiste Zeit nimmt wohl die Planung unserer nächsten Auftritte in Kauf." Sagte schließlich der ältere Herr. Salvai trank schließlich seinen Becher aus und stellte ihn dann auf dem Boden, dabei stütze er erneut seine Arme auf den Knien ab und lies seinen Blick zu jedem wandern der sprach. "Wenn ich nicht gerade mit meiner Verlobten beschäftigt bin..." Er schenkte ihr und Viren einen besonders zweideutigen Blick, "... übe ich meine Schauspielkunst, oder gehe zur Jagd. Was ist mit Euch?"

Die Antwort der Gruppe war wenig überraschend. Es benötigte nun einmal einiges an Zeit eine Schauspielergruppe am Laufen zu halten. Vorbereitung war das A und O. Wen sie nicht das nötige Engagement dafür aufbringen würde, würde Tetetra vermutlich nicht mehr existieren. Ebenso war es vorhersehbar, dass die Frage wie ein Bumerang zu mir zurückkam. „Meine Abende?“, wiederholte ich dennoch scheinbar nachdenklich, zog die Worte dabei ein wenig in die Länge während ich mich zurücklehnte und meinen Blick zu den Sternen am Nachthimmel gleiten ließ. Die Nacht vor unserer Ankunft hier hatten Vitas und ich damit verbracht … nichts zu tun. Nebeneinander waren wir im Gras gelegen, den Blick in die Sterne gerichtet während wir in Erinnerungen schwelgten. „Womit ich meine Abende verbringe ist abhängig von meiner Stimmung und meiner Gesellschaft“, mit den letzten Worten lenkte ich meine Aufmerksamkeit wieder auf den Braunhaarigen. Sturmgrau verankerte sich in Gold als ich seinen Blick suchte und mein Tonfall die selbe Zweideutigkeit wiedergab wie der des Braunhaarigen kurz zuvor. Es entsprach der Wahrheit. Vitas und ich hatten nur einander. Keine Gruppe um welche wir uns zu kümmern hatten. Keine Verantwortung jemand anderem gegenüber. Nicht selten verbrachte ich meine Abende in Gesellschaft von Leuten, welche ich bis zu jenem Tag nicht einmal gekannt hatte. Doch endeten die wenigsten dieser Bekanntschaften entgegen meiner Anspielung tatsächlich im Schlafzimmer.

„Wir sind viel auf Reisen. Ein Barde benötigt Inspiration. Nur auf diesem Wege entstehen wahrhaft fesselnde Lieder“, wandte ich mich entspannt wieder an die Gruppe, lies meinen Blick über die Mitglieder von Tetetra schweifen. Ich nahm an, dass sie meine Worte nachvollziehen konnten, auch ihre Werke entstanden nicht in den Kammern einer beengten Behausung. Als meine Aufmerksamkeit zu Lissandra zurückkehrte, griff ich mit einem herausfordernden Lächeln nach meiner Lyra. Vielleicht war jetzt die richtige Zeit gekommen um sie darum zu bitten mich ihre Stimme mit einem anspruchsvolleren Stück als dem Trinklied hören zu lassen. Nachdenklich glitten meine Finger über die Saiten, erst langsam bis ich mich für ein Stück entschieden hatte. Komplex, zügig und in hohen Tönen, welche nicht für viele Sängerinnen einfach zu treffen waren. Allerdings sah ich mich hier mit einem kleinen Problem konfrontiert. Dieses Lied entstammte meiner Welt. Lissandra würde es nicht kennen. Und ich kannte keinen entsprechend anspruchsvollen Song aus dieser Welt. „Benötigt ihr noch eine Atempause oder seht ihr Euch bereits in der Lage mich mit Eurer imponierende Singstimme mit einem angemessenen Stück zu faszinieren?“, fragte ich dennoch interessiert an die Grünhaarige gewandt während mein Spiel leiser wurde um eine Unterhaltung zu ermöglichen.

Salvai
Sein Blick lag noch kurz auf Lissie, die aufgrund seiner Worte etwas errötet war und lächelnd von ihrem Wein trank. Es waren solch kleine Momente wie ihr Lächeln im Feuerschein zu sehen, die ihn daran erinnerte wie sehr er sie liebte. Es war schließlich Virens Blick die seine Aufmerksamkeit wieder auf den Barden richten lies und die Antwort, mit der er mehr oder weniger auch gerechnet hatte. Soweit er verstanden hatte war dieser immer mit seinem Freund auf Reisen und schien die ein oder andere Abwechslung in anderer Gesellschaft wahrzunehmen, es war ihrem Leben nicht unähnlich. Bevor Lissie und er auf Tetetra getroffen waren, hatten sie nur einander gehabt und waren von Stadt zu Stadt gereist. Nicht wissend wohin der Weg sie führen würde, was sie erwartete, einerseits war die Zeit schön gewesen. Aber der Schatten ihrer Vergangenheit und ihrer Verluste hatte sie stets begleitet, bis sie dann auf die Gruppe hier gestoßen waren. Seitdem verging kein Tag an dem er nicht Glücklich war.

Der braunhaarige hatte nichts mehr auf seine Worte erwidert, da der Barde schließlich nach seiner Lyra griff und eine fremde aber schöne und schnelle Melodie anstimmte. Alle lauschten gespannt und mit der Erwartung, dass Viren besagte fesselnde Lieder verlauten könnte. Die Klänge wurden leiser, doch statt selbst zu singen fragte er schließlich nach Lissandras Stimme. Die Aufmerksamkeit aller wanderte schließlich von dem schwarzhaarigen zu ihr, so das sie ihren Becher zur Seite stellte und Viren kurz nachdenklich musterte. "Die Melodie welche Ihr spielt ist mir Fremd, aber ich würde gerne ein eigenes Lied vortragen um Euch in den Genuss meiner Stimme zu bringen." Dabei waren ihre grünen Augen kurz auf seine Hände an der Lyra gerichtet, die erneute Herausforderung annehmend und mit neu gewonnener Motivation vertrieb sie etwas die Müdigkeit welche sie seit dem Wein etwas eingenommen hatten.

Salvai schenkte seiner Verlobten einen fragenden Blick, woraufhin sie leicht mit den Kopf schüttelte. Er hatte ihre Notizen holen wollen, aber sie wollte ohne ein Buch in ihren Händen das Lied vortragen an dem sie letztens erst gearbeitet hatte. Zwar war Virens Lied schnell und schwierig, aber in ihrem Kopf hatte sie die Klänge bereits abgespeichert und so konnte sie diese auch gut über das geschriebene Lied legen um zu wissen, welche Töne sie treffen musste. Auch ihr Gesangsunterricht war etwas, dass sie seit Kinderbeinen auf gehabt hatte. Früher hatte sie nie singen wollen, allerdings war ihr Vater sehr begeistert von ihrer Stimme gewesen und hatte sie immer gebeten ihm etwas vorzusingen. Durch das ständige Üben hatte sie bereits früher schon eigene Lieder geschrieben, allerdings war das immer ihr Zeitvertreib für nebenbei gewesen - wenn sie nicht gerade mit Salvai Unfug angestellt hatte. Sich räuspernd bedeutete sie ihm das er beginnen konnte wieder lauter zu spielen. Die anderen verfielen schließlich in erwartungsvolles Schweigen, als Viren Lissie darum gebeten hatte etwas zu singen. Das Mondlicht wurde von den Dächern der Häuser um sie herum verdeckt und die Geräusche vom Gasthaus wurden mit der Zeit immer leiser, so das lediglich Virens Klänge auf der Lyra zu vernehmen waren. Die Blicke aller waren schließlich auf Viren und Lissie gerichtet, wäre Maestro noch hier hätte er vermutlich ebenfalls mit einer Einlage gedient.

Die Gruppe verfiel in erwartungsvolles Schweigen als Lissandra meiner Bitte zu singen bereitwillig nachkommen wollte. Die Bedeutung des kurzen wortlosen Austausches zwischen ihr und Salvai erschloss sich mir nicht, zeigte mir jedoch erneut wie nah die beiden sich standen und ein gänzlich anderes Lied als jenes dessen Melodie die Nachtluft erfüllte kam mir dabei in den Sinn. In diesem Moment hatte ich entschieden was ich für die Gruppe singen würde insofern dies heute Abend noch geschehen würde. Für den Moment gehörte die Aufmerksamkeit jedoch Lissandra. Die Grünhaarige überraschte mich jedoch sowohl damit ein eigen geschriebenes Werk zum Besten geben zu wollen als auch damit, dieses spontan an das Lied anzupassen, welches meine Finger bereits den Saiten der Lyra entlockten. Jetzt war ich durchaus gespannt auf das was folgen würde. Es schien als würde die Welt den Atem ebenso erwartungsvoll anhalten als die anwesenden Schausteller. Dunkelheit verschluckte die Realität um uns herum, ließ nur die züngelnden Flammen als Lichtquelle zurück, deren Helligkeit seltsam ruhig über die feinen Züge der Grünhaarigen zuckte. Einzig die Klänge meiner Lyra wagten es noch die Stille, welche die Finsternis mit sich brachte zu durchbrechen. Trotz der Aufforderung der Hellhaarigen spielte ich das Lied in gesenkter Lautstärke zu Ende um ihr einen Eindruck davon zu geben. Erst dann signalisierte ich mit einem knappen Nicken meinerseits, dass ich von vorne beginnen würde und damit legte sich die Melodie über uns alle, bereit für den Gesang Lissandras.

Salvai
Er lehnte sich etwas weiter vor um an Viren vorbei den Blick auf seiner Verlobten gerichtet zu lassen, er lauschte ihrer Stimme gerne und kombiniert mit Virens komplizierter aber gut gespielter Melodie machte ihn nur noch erwartungsvoller. Auch die Blicke der anderen waren auf die beiden gerichtet, Viren spielte die Melodie etwas leiser zu Ende aber nur um dann mit neu gewonnener Lautstärke erneut die Klänge auf seiner Lyra anzuspielen. Erneut räusperte sich die grünhaarige, bevor sie im richtigen Takt begann einzusteigen. "Es freit ein wilder Wassermann, vor der Burg wohl über den See. Er freit nach königlichem Stamm, der schönen, jungen Lilofee." Ihre Stimme klang so elegant und schön, wie jedes Mal wenn sie sang. Der braunhaarige genoss es ihr dabei zuzusehen, wie sie ihre Augen schloss um völlig in dem Lied zu versinken.

Ihr Lied handelte von einem Wassermann, welcher in einem See lebte neben diesem ein prächtiges Schloss gebaut war. Dieser hatte irgendwann eine Brücke bauen lassen, um der Frau - Lilofee - in die er sich verliebt hatte einen Weg zu ebnen. "Als sie auf die Brücke kam, vor der Burg wohl über dem See. Der Wassermann zog sie hinab, die schöne, junge Lilofee." Schließlich hatte er sie mit sich genommen in sein Unterwasserreich wo sie sieben Jahre lebte und sieben Kinder bekam, bis sie irgendwann die Glocken auf dem Lande vernommen hatte. "Sie hört droben die Glocken gehn, vor der Burg wohl über dem See. Wollt Vater und Mutter wiedersehn, die schöne, junge Lilofee." Sie sehnte sich danach zurück zu gehen, Vater und Mutter wieder zu sehen. Sie ging zurück, verweilte dort allerdings nicht lange, da der Wassermann sie schließlich vor eine Wahl stellte. Sollte sie nicht wieder mit ihm gehen, würden sie die Kinder unter sich aufteilen, da sie unten nach ihr weinten. "Willst du hinunter gehn mit mir? Vor der Burg wohl über den See, deine Kinder drunten weinen nach dir, du schöne, junge Lilofee..." Drei blieben bei ihm, drei gingen mit ihr, das siebte würden sie teilen. Schließlich nahm sie ihr Schicksal hin und kehrte für immer zurück in die Unterwasserwelt. "Eh dass ich die Kinder teilen lass, vor der Burg wohl über dem See. Scheid ich von Laub und grünem Gras, ich arme, junge Lilofee." Hätte sie gewusst was Viren war, hätte sie ein positiveres Lied gesungen. Allerdings war die Geschichte ihren Gedanken entsprungen und hatte sich zu einem schönen Liedtext wandeln lassen, so sang sie den Refrain, läutete irgendwann das Ende des Liedes ein. Sie war textsicher, da sie lange an dem Lied gearbeitet hatte und die Melodie ergänzte es, als wäre es dafür komponiert worden. Dabei klang ihre Stimme hell und fest, einen Part des Liedes hätte ein Mann singen müssen - allerdings übernahm sie den Teil und stellte lediglich ihre Stimme etwas tiefer, was ihr problemlos gelang.

Die Wahl ihres Liedes traf mich etwas unvorbereitet. Ich mochte kein Wassermann sein und ich würde mich nie mit einem See zufriedengeben aber alleine die Tatsache, dass sie etwas in dieser Richtung gewählt hatte zeigte mit, dass sie das Meer mit mir in Verbindung brachte, wenn auch nur unterbewusst. Es war nicht das erste Mal, dass die Menschen in unserer Nähe plötzlich an die See dachten. Ihr Geruch haftete uns an und würde immer dort präsent sein wo wir es waren. Das amüsierte Schnauben behielt ich für mich. So interessant ihre Wahl auch sein mochte, ihre Stimme stellte sie in den Schatten. Ich würde ihren Gesang nicht unterbrechen und ich war nicht der einzige, der es nicht wagte sich in anderer Weise als den Klängen meiner Lyra bemerkbar zu machen. Die anderen Mitglieder von Tetetra waren derart still, dass ich ihre Anwesenheit nicht einmal wahrnehmen würde, wüsste ich nicht von ihr. Lissandra … faszinierte mich. Nicht nur mit der beinahmen Perfektion ihres Gesanges sondern auch damit, dass es ihr scheinbar mühelos gelang ihre eigenen Liedzeilen über meine Melodie zu legen als wären sie füreinander bestimmt. Doch konnte ich dabei nicht umhin mich zu fragen was sie zu eben diesen Zeilen inspiriert hatte. Vor allem der letzte Vorschlag des Wassermannes war doch sehr makaber. Das siebte Kind teilen wir.

Die letzten Töne verklangen und die Welt begann wieder aus der Dunkelheit aufzutauchen. Das Gasthaus war doch nicht so unbelebt wie es den Anschein erweckt hatte und das Licht des Mondes versuchte sein Bestes uns zu erreichen, auch wenn es so nahe an Neumond nicht stark war. Für einige Herzschläge herrschte noch immer Stille um das Lagerfeuer ehe Rosetta als erste zu jubeln begann. Ein ganzer Schwall an Lobpreisungen prasselte auf die Grünhaarige ein während das Klatschen der anderen diese untermalte. Meine Finger glitten kurz in einer Imitation eines Applauses über die Saiten ehe ich den Kopf in Lissandras Richtung neigte. „Bezaubernd“, sprach auch ich meine Anerkennung aus, ein Lächeln auf den Lippen, welches meine Bewunderung widerspiegelte. „Ich muss Euch gestehen, dass ich eine derart gelungene Darbietung nicht erwartet habe. Ihr habt alle meine Erwartungen übertroffen. Es wird mir eine Ehre sein Eure Darbietung bei Eurem nächsten Auftritt zu verfolgen.“ Meine Aufmerksamkeit lag ungeteilt auf der Grünhaarigen während ich beschloss die Frage an sie zu richten, welche ich mir selbst gestellt hatte. „Ich konnte jedoch nicht umhin mich zu fragen was als Inspiration hinter diesen Zeilen liegt. Erweist ihr mir die Ehre, mich einzuweihen?“

Salvai
Er hatte sich kein bisschen mehr bewegt und den Blick auch nicht mehr abgewandt, als sie begann mit ihrer Stimme das selbst kreierte Lied zu singen. Viren spielte die Lyra dazu perfekt, es war beeindruckend wie gut sie sich damit ergänzten. Seine Verlobte hatte beim singen die Augen geschlossen, damit sie sich konzentrieren konnte. Daher haftete sein Blick durchgehend auf ihre weichen Lippen, so wie es bei allen anderen ebenfalls der Fall war. Ihm wurde warm bei dem Gedanken das Viren ihr die Möglichkeit gegeben hatte erneut zu präsentieren was sie konnte, es war mehr als nur eine gute Entscheidung gewesen ihn einzuladen. Wie die anderen so begann auch er zu klatschen als das improvisierte Lied schließlich endete, sie schlug ihre Augen auf und grinste alle derart glücklich an das er... er war einfach glücklich sie so zu sehen. Als könnte er sich jedes Mal neu verlieben sobald er sie sah.

"Es war wunderschön Lissie." Stimmte Salvai schließlich mit ein, worauf dann auch die anderen zustimmten, das klatschen war dabei noch nicht ganz verstummt. Die grünhaarige errötete gar, was im Schein des Feuers kaum wahrzunehmen war. "Ich danke euch." Richtete sie schließlich an alle, bevor sie sich dann Viren und Salvai zuwandte. "Woher stammt diese Melodie? Ich würde gerne das Lied dazu kennen, falls Ihr uns auch noch mit Eurer Stimme begeistern wollt." Warf sie schließlich ein, war genau so interessiert hinter dem Ursprung so wie er. Allerdings musste sie etwas nachdenken, wie sie ihre Inspiration am besten erklärte. "Es sind kleine unwichtige Dinge an die ich mich häufig erinnere und oft genug wandle ich sie schließlich in Geschichten oder Lieder um, dabei habe ich natürlich die Hoffnung einmal ein passendes Theaterstück zu schreiben. Aber dafür fehlt mir noch etwas die Übung." Begann sie schließlich die Herkunft des Liedes zu erklären, ging dabei aber noch etwas genauer darauf ein. Dabei wanderte ihr Blick schließlich zu Salvai, "Mein Vater besaß einst ein Gemälde, auf dem eine Burg, eine Brücke und besagter See abgebildet war. Im Wasser befand sich ein Liebespaar, den Rest... habe ich mir schließlich ausgedacht."

Der braunhaarige wusste um die Inspiration des Liedes, zwar hatte sie es ihm noch nicht vorgesungen - allerdings war er derjenige dem sie ihre ganzen Ideen natürlich mitteile, umgekehrt genau so. Noch immer war er von ihrer Kreativität beeindruckt, er selbst versuchte sich zwar ebenfalls an eigene Kreationen, allerdings waren diese eher... etwas stumpf. Aber deswegen übte er ja auch brav. Die anderen waren nicht wenig beeindruckt, Rosetta erhob schließlich das Wort. "Es ist so Schade, dass die anderen es jetzt nicht hatten hören können. Veira wäre in dieses Lied verliebt, sie steht doch so sehr auf tiefgründige Stücke." Schwärmte sie dann lächelnd, Isaac stimmte dem schließlich mit einem Lächeln zu. Jakob und Annette waren nicht weniger begeistert. "Viren, Ihr spielt die Lyra wirklich sehr beeindruckend. Die Ergänzung von Lissie hat wirklich gut gepasst, aber auch ich bin ebenfalls neugierig über das dazugehörige, ursprüngliche Lied." Kam es schließlich von der braunhaarigen, dabei hielt sie ihren Becher mit beiden Händen fest. Sie alle waren Künstler, bei dem ehrlichen Interesse und der offenen Bewunderung lag nur Ehrlichkeit.

Die Worte der anderen nahm ich nur am Rande wahr. Rosettas Anmerkung. Anettes Lob und ihr Interesse an dem Original-Text des Stückes. Meine Aufmerksamkeit lag auf der Grünhaarigen. Sie wirkte trotz ihres beeindruckenden Auftritts bescheiden. Keine Arroganz. Keine Selbstverständlichkeit. Aufrichtiger Dank. Die gesamte Gruppe wirkte so offen und … vorurteilsfrei. Umso härter traf mich ihre Beantwortung meiner Frage. Dass sie sich von einem Bild hatte inspirieren lassen, konnte ich noch nachvollziehen. Dagegen war nichts einzuwenden. Doch der erste Teil ihrer Antwort traf mich unvorbereitet. Kleine unwichtige Dinge. Das gesamte Lied handelte davon, dass Nicht-Menschen Monster waren. Davon, dass sie die armen wehrlosen Menschen mit Zwang ihrem Willen unterwarfen. … Davon, dass es nicht möglich war sie zu lieben. Kleine unwichtige Dinge. Mir war bewusst, dass die meisten Menschen uns auf diese Art und Weise wahrnahmen. Aber nichts an dieser Ansicht war klein oder unwichtig. Es prägte unser Leben, zwang uns dazu uns zu verstecken, zu verbergen wer wir wirklich waren. „Kleine unwichtige Dinge“, wiederholte ich mit Eis in der Stimme während meine Mimik sich verschloss. Der Sturm, welcher immer hinter meinen Augen tobte gewann an Intensität. Mit einer ruckartigen Bewegung stand ich auf. Ich musste hier raus ehe ich etwas Unbedachtes tat.

Einem Teil von mir war bewusst, dass Lissandra damit vermutlich niemanden hatte direkt angreifen wollen. Sie verarbeitete die Eindrücke aus ihrer Umwelt. Aber etwas musste sie dazu bewegt haben, diese Sicht der Dinge widerzuspiegeln. Obsession und Zwang anstelle von gegenseitiger Liebe. Vorurteilsfrei. Wunschdenken. Wie konnte ich nur immer wieder so naiv sein? Ich hatte mich mitreißen lassen. Salvai hatte mein Interesse geweckt und ich war ihm gefolgt ohne darüber nachzudenken. Ich mied es ihn noch einmal anzusehen, wollte nicht sehen wie er auf meinen Stimmungsumschwung reagierte. „Ich danke für Eure Gastfreundschaft und wünsche Euch viel Erfolg bei Euren künftigen Auftritten“, hörte ich mich selbst sagen. Das Eis war aus meiner Stimme gewichen, jedoch lag nun nur gezwungene Höflichkeit darin. „Ich empfehle mich.“ Auch wenn keine Magie in meiner Stimme lag, war es unmissverständlich, dass ich alleine gelassen werden wollte. Die Finger meiner Rechten um meine Lyra gekrallt, setzte ich mich schlagartig in Bewegung. Weg hier. Egal wohin. Einfach nur weg hier. Ohne mich noch einmal nach der Gruppe umzusehen führten schnelle Schritte mich den Weg neben dem Gasthaus entlang, welchen wir auch hierher gekommen waren. Während die Dunkelheit mich nicht beeinträchtigte, musste ich für Tetetra bereits nach wenigen Metern in der Nacht verschwunden sein.