Salvai
Er bemerkte die Blicke welche sich Viren und Vitas zuwarfen und wusste somit, dass sie vorhatten sich auch das andere Stück noch anzusehen. Seine Hand legte er auf die von Lissie, als sie sich wieder an seinem Arm festhielt. Es war Schade das Viren nicht erneut auf dem Marktplatz auftreten würde, aber das er gleich im nächsten Satz zustimmte für seine Gruppe zu singen stimmte ihn sehr glücklich. Der Grünhaarigen hatte er immerhin stark von seiner Stimme geschwärmt und auch sie wollte sich davon überzeugen, dass sie vorhin bereits einen kleinen Vorgeschmack erhalten hatte als er mit Rosetta gesprochen hatte wusste er nicht. "Ich denke das lässt sich einrichten." Durchaus konnte nicht nur Maestro musizieren, Rosetta war sehr begabt und Jakob beherrschte ebenfalls welche, aber er war der einzige welche solch eine Leidenschaft in seine Musikinstrumente legte - mit Ausnahme von seinen Kindern. "Ich weiß es sehr zu schätzen." Fügte er schließlich andächtig mit an, am Vortag hatte Viren immerhin davon gesprochen erst überzeugt werden zu müssen und das war ihnen wohl gelungen. Sie bogen schließlich in eine Straße ein, neben kleineren Geschäften befand sich nun auch das Wirtshaus. Ein Schild aus Holz hing über der Tür, auf dem ein dickes Pony eingeschnitzt worden war und der Name des Gasthauses prangerte. Salvai lies es sich schließlich nicht nehmen, sich von seiner Verlobten zu lösen und zwei Schritte schneller zu sein, um die etwas schwere Eichenholztür zu öffnen und sie den dreien aufzuhalten. Innen war es warm, der große Raum besaß viele Holzbänke, Tische und Stühle, die meisten waren bereits besetzt. Der Geruch vom Essen stieg ihm langsam in die Nase, in der kurzen Zeit konnte er zumindest verschiedene Braten und Soßen herausriechen. Auch Biergeruch lag in der Luft und durchaus hatte er vor sich auch eines zu bestellen.

Ein amüsiertes Lächeln legte sich auf meine Lippen als Salvai voraneilte um uns die Türe des Gasthauses zu öffnen. Ein Gentleman. Durch und durch. Ich nickte ihm beim Vorbeigehen knapp zu um ihm zu symbolisieren, dass ich die Geste durchaus zu schätzen wusste. Uns empfing eine Gaststube, wie sie in nahezu jedem Wirtshaus anzutreffen war. Allerdings war die Anzahl der Gäste ein Hinweis auf die gute Küche. Die Wahl schien dem ersten Eindruck nach also nicht vollkommen falsch gewesen zu sein. Hinter der Theke stand ein glatzköpfiger Kerl. Ein Schrank von Mann. Vermutlich reichte alleine seine Anwesenheit um für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Ich konnte jedenfalls darauf verzichten mir einen Hieb seiner Pranken einzufangen. Zwei vollbusige Damen huschten zwischen den Tischen hin und her um die Gäste zu bedienen. Aus einer Tür hinter welcher ich die Küche vermutete kam ein Mädchen von vielleicht 12 Jahren hervor, welche ein vollbeladenes Tablet zu einem der Tische brachte. Meine Wahl fiel auf einen Tisch mit vier Stühlen in Fensternähe. Kommentarlos ließ ich mich auf einen der Stühle sinken. Vitas zu meiner Linken. Das brünette Mädchen, welches gerade am Nebentisch die Speisen abstellt warf kurz einen Blick in unsere Richtung und gab uns mit einem knappen aber deswegen nicht weniger freundlichen, „einen Moment“, zu verstehen, dass sie sich gleich um unsere Bestellung kümmern würde. Interessiert glitt meine Aufmerksamkeit über die anderen Tische um einen ersten Überblick darüber zu bekommen, was hier serviert wurde. Der Geruch nach Braten überdeckte erfolgreich alles andere aber dennoch konnte ich auch andere Gerichte an den Tischen ausmachen. „Hat bereits etwas Euer Interesse geweckt?“, wollte ich währenddessen von den beiden Schaustellern wissen. „Es gibt keinen Grund sich zurückzuhalten. Bestellt wonach Euch der Sinn steht.“ Vitas kommentierte meine Aufforderung zwar nicht, stimmte ihr jedoch mit einem Nicken zu.

Salvai
Die schwere Tür fiel nun hinter ihm ins Schloss, Viren suchte sich schließlich einen passenden Platz so das Salvai und Lissie sich ihnen nun gegenüber setzten. Ein kräftiger Mann stand hinterm Thresen und wusch gerade Bierkrüge ab, zwei hübsche Frauen bedienten die Gäste und auch ein kleines Mädchen huschte an ihnen vorbei, mit dem Wink das sie gleich zu ihnen kümmern würde. Salvai legte nun seinen Bogen und den Köcher unter dem Tisch auf den Boden, bevor er vorfreudig und aufgeregt die Arme auf den Tisch ablegte Auch sein Blick haftete sich erneut auf die anderen Tische, musterte ihre Gerichte,... er liebte es zu Essen. "Das werden wir, erneut vielen Dank für Eure Einladung." Der braunhaarige grinste dabei, "Mit Veiras Kochkünsten können wir uns sicher revanchieren." Seine Verlobte verschränkte leicht die Hände und lehnte sich etwas zurück, nicht wenige Blicke lagen auf ihr, war sie für eine Frau doch untypisch gekleidet. Salvai ging schließlich auf Virens Frage ein, dabei warf er ihm einen begeisterten Blick zu. "Oh einiges. Nicht nur das anscheinend selbst gebraute Bier, sondern auch die unterschiedlichsten Braten, Eintöpfe und auch das frisch gebackene Brot..." Aus der Küche kam deutlich der Geruch des frischen Gebäcks. Natürlich würde er sich nicht zu viel bestellen, es gehörte sich nicht mehr als nötig zu essen wenn die beiden sie eingeladen hatten. Aber er würde sich entscheiden müssen auf was es ihn am meisten Lustete. "Wie steht es mit Euch?" Fragte er nun in die Runde.

Auf Salvais erneuten Dank hin, nickte Vitas nur wortlos. Sein Lächeln jedoch war ohne Schwierigkeiten in die Kategorie ‚gern geschehen‘ einzuordnen. „Daran besteht kein Zweifel“, erwiderte zustimmend ich auf Lissandras Aussage zu Veiras Kochkünsten. Eine ganze Gruppe zu versorgen war kostspielig und das Essen in Gasthäusern meist alles andere als günstig. Doch bei jemandem mit Veiras Können auf diesem Gebiet überbot ihr Essen die meisten Wirtshausküchen ohnehin. Salvais goldene Augen leuchteten vor Begeisterung als er meine Frage beantwortete. Essen schien ein beliebtes Thema bei ihm zu sein. Ich war so fixiert auf ihn, dass ich den jungen rothaarigen Mann, welcher in diesem Moment das Gasthaus betrat nur am Rande wahrnahm. Kurz glitt dessen Blick über die Anwesenden und blieb für einen Moment auf dem Ōdachi hängen, welches Vitas neben sich an die Wand gelehnt hatte ehe er sich einen Platz an der Theke suchte. Verständlich. Nach allem was ich bisher gesehen hatte war das Ōdachi hier eine äußerst exotische Waffe. Das Katana, welches neben mir am Tisch lehnte fiel dagegen kaum auf. „Frisch gebackenes Brot“, wiederholte ich ein wenig schwärmerisch die Worte Salvais. Ja, davon wollte ich auf jeden Fall etwas abhaben.

Wenn ich mir die Gerichte so betrachtete, welche das Mädchen gerade am Nebentisch abgestellt hatte, dann gewann das Übergewicht des Ponys über der Eingangstür eine eigene Bedeutung. Hier war man großzügig in Bezug auf die Portionsgrößen. Besagtes Mädchen wandte sich soeben auch bereits in unsere Richtung und unterbrach meine angefangene Antwort. „Herzlich willkommen im tänzelnden Pony“, grüßte sie grinsend. „Euch habe ich hier noch nicht gesehen. Neu in der Stadt?“, ehe jedoch einem von uns die Gelegenheit blieb zu antworten fuhr sie auch schon fort. „Dann will ich Euch mal nicht dumm sterben lassen“, setzte sie fröhlich an ehe sie anfing die Gerichte herunterzurattern, welche hier geboten wurden, was in einem Anpreisen des Tagesgerichtes endete, bei welchem es sich heute um frisch gefangenen Lachs handelte. „Ich wage mich an die gerösteten Kartoffeln mit dem Gemüse nach Laune des Kochs“, begann ich gut gelaunt die Bestellung. „Das Tagesgericht und dazu erst einmal nur Wasser“, führte Vitas fort und ich bestätigte mit einem Nicken die Getränkewahl. „Und einige Scheiben des frisch gebackenen Brotes“, hängte ich noch eilig hinterher. Das Mädchen nickte geschäftig während es sich bereits an die beiden Schausteller wandte um deren Bestellung aufzunehmen.

Salvai
Der Blick des braunhaarigen haftete noch immer auf den Gerichten die an den anderen Tischen präsentiert wurden, er sah wieder zu seinem Gegenüber als er das frisch gebackene Brot erwähnte und eigentlich, hatte er noch etwas ergänzen wollen. Allerdings kam bereits das Mädchen um ihre Bestellungen aufzunehmen, aber erst nachdem sie ihnen lang und breit aufgelistet hatte was es alles zu essen gäbe. Sich etwas zurücklehnend dachte er angestrengt nach, bei so viel Auswahl war es doch etwas schwer sich für etwas zu entscheiden. Die anderen beiden bestellten bereits und da er noch immer nichts sagte, sprach Lissie erst ihre Bestellung aus. "Für mich bitte ebenfalls das Tagesgericht und ein Bier." Durchaus spielte er mit dem Gedanken, sich ebenfalls das Tagesgericht zu bestellen. Aber er aß lieber Fleisch als Fisch, weshalb er sich entschieden hatte und dann endlich seine Bestellung ansetzte. "Ich nehme den Rinderbraten mit Kraut und Soße, und ebenfalls Bier bitte." Das Mädchen nickte schließlich erfreut und nickte allen zu, bevor sie sich abwandte und sich dem Neuankömmling widmete der gerade eben durch die Tür gekommen war. Als sie ging, war es schließlich seine Verlobte die schließlich ein anderes Thema anschlug. "Könntet Ihr beide mir verraten, was für besondere Schwerter Ihr bei euch tragt?" Bereits länger hatte sie darüber nachgedacht, vielleicht ergab sich später die Gelegenheit die Schwerter noch außerhalb der Scheiden zu bewundern. Sie selbst kannte lediglich den Degen und die gewöhnlichen Eisenschwerter, einhändig und zweihändig. Salvai grinste leicht, auch ihn interessierte die Antwort auf ihre Frage.

Bei aller Begeisterung für Essen, schien es Salvai schwer zu fallen eine Entscheidung zu treffen. Ich konnte ihn gerne noch einmal einladen, wenn er mehrere Gerichte kosten wollte. Immerhin waren sie noch mindestens zwei Tage hier. Ein Angebot für später. Für den Moment fiel die Wahl und das Thema schwenkte wenig überraschend zu den Waffen, welche wir führten. „Ihre Heimat ist der Osten“, setzte ich bereitwillig an und wusste immerhin dank des Gespräches zwischen Vitas und dem Schmied, dass ich damit auch hier richtig lag. „Dies hier“, fuhr ich fort und tippte kurz meine Klinge an „nennt sich Katana und ist … die dortige Variante des hiesigen Langschwertes. Nicht selten wird dazu noch ein Kurzschwert, das sogenannte Wakizashi geführt. Bisher hat mir jedoch auch eine einzelne Klinge gute Dienste erwiesen.“ Die Erklärung war kurz aber zu erläutern, dass es sich um traditionelle Samurai und standesbezogene Waffen handelte würde mich nur in Erklärungsnot bringen, da ich nicht wusste in wie weit sich dies in dieser Welt mit dem deckte was ich kannte. „Wenn Ihr interessiert seid, könnt Ihr es später gerne selbst einmal führen“, bot ich stattdessen an.

Auch wenn wir beschlossen hatten Vergangenes in der Vergangenheit zu lassen, hoffte ich, dass das Angebot ein wenig meine Reaktion wieder gut machen würde. „Vitas‘ Ōdachi zu führen ist eine Kunst für sich“, gestand ich mit einer knappen Handbewegung zu der Waffe ein. „Es ist unhandlich und neigt dazu gerne stecken zu bleiben.“ Der Weißhaarige unterbrach mich nicht. Er hatte die Arme auf dem Tisch abgelegt und das Kinn in eine Hand gestützt während er mit leicht erhobener Augenbraue meinen Ausführungen lauschte. „Aber lasst Euch davon nicht täuschen. In Vitas Händen ist es absolut tödlich … oder schmerzhaft. Je nachdem welche Absicht dahinter liegt.“ Kurz verzog sich meine Miene in besagtem Schmerz während ich mir meine Worte unterstreichend mit der Hand über die Seite fuhr an welcher Vitas mich beim letzten Training heftig erwischt hatte. Doch bereits im nächsten Moment kehrte das amüsierte Grinsen zurück. „In Eure Hände wird es leider niemals fallen, da Vitas es hütet wie seinen Augapfel. Daher kann ich nur hoffen, dass mein Katana genügt um Eure Neugierde zu befriedigen.“

Salvai
Sein und Lissies Blick lagen nach wie vor auf Viren, als der schwarzhaarige begann detailliert auf die Frage seiner Verlobten einzugehen. Die besonderen Namen der Schwerter, Katana und Odachi sagten ihm tatsächlich nichts, er glaubte aber die ein oder andere Waffe in Schmieden und bei Händlern gesehen zu haben. Lissie lehnte sich etwas weiter vor, dabei war die Begeisterung in ihren Augen deutlich zu erkennen. „Ich kenne die Namen der Waffen aus Erzählungen, aber ich hatte nie die Gelegenheit sie zu betrachten, geschweige denn zu führen. Es wäre mir eine Ehre, wenn ich Eure Waffe etwas in der Hand halten könnte. Durchaus kann ich mit den hier üblichen Schwertern umgehen, für mich persönlich habe ich allerdings den Degen entdeckt. Mir liegen vermutlich leichtere Waffen einfach besser, auf den ersten Blick wirkte Euer Katana ebenfalls leichter als ein übliches Stahlschwert.“ Ein breites Lächeln zeichnete ihre Lippen, während sie fortfuhr. „Ich kann mich natürlich auch irren. Darf ich fragen, wo Ihr gelernt habt mit derart fremden Klingen umzugehen? Es bedarf einiges an Training, vor allem die Länge Eures Schwertes…“ Sie sah nun zu Vitas. „… es ist beeindruckend, eine derartige Klinge meisterhaft zu führen, wie Viren es bereits angedeutet hatte.“ Immerhin hatte Viren ihr gegenüber erwähnt, dass sein Freund ihn unterrichtete und die Worte eben unterstrichen es nur. Er war im Kampf gegen sie bereits gut gewesen, also dürfte sein Freund wahrlich beeindruckend sein. Zu gerne täte sie tatsächlich sehen wie er sein Schwert führte, vielleicht ergab sich noch eine spontane Situation die genau das ergab.

Salvai hatte dem Gespräch aufmerksam gelauscht, allerdings war sein Nachteil das er für die Art der Waffe nicht die selbe Begeisterung hegte wie die anderen. Das Schwert war eine eindrucksvolle Waffe, aber bis auf Grundlagen hatte er nie mehr lernen wollen oder können. Das Mädchen kam schließlich mit den Getränken zurück und stellte diese dann ab, bevor sie sich wieder entfernte. Glücklich griff er also nach seinem Bierkrug und prostete den anderen schließlich leicht zu. „Ich konnte mich für das Schwert leider nie wirklich begeistern. Aber ich habe Respekt davor, Euer Kampf hat auch wieder bewiesen das ich mich eher ungern mit Euch anlegen würde.“ Er lachte, während in seinem Blick reine Bewunderung für das Können beider sprach. Vitas Schwertkunst kannte er nicht und konnte sich daher natürlich kein Urteil darüber erlauben, aber so wie Viren von ihm gesprochen hatte dürfte er ebenfalls ein Meister darin sein. Mit seinem Fuß stupste er nur leicht gegen seinen Bogen, der unter dem Tisch lag. Dabei ging er sicher das er dort war, wo er hingehörte. Nämlich bei ihm.

Oh ja, nun hatten wir ein Thema gefunden bei welchem die Augen Lissandras vor Begeisterung funkelten. Sie lehnte sich sogar ein wenig nach vorne, vermutlich um einen besseren Blick auf die besprochenen Waffen zu erhalten. „Ihr irrt nicht“, bestätigte ich ihre Annahme während ich nach dem Becher griff, den Vitas soeben mit dem auf dem Tisch abgestellten Wasser gefüllt hatte. „Sein Gewicht ist geringer als jenes der hier üblichen Stahlschwerter.“ Salvais Geste erwidernd hob ich knapp den Becher in seine Richtung, auch wenn sich darin nur Wasser befand ehe ich einen wohltuenden Schluck von dem kühlen Nass nahm. „Ich fürchte die Antwort auf Eure Frage ist nicht sehr interessant. Für Euch mögen die Klingen fremd erscheinen aber in ihrer Heimat sind sie so gewöhnlich wie die hier heimischen Waffen für Euch. Wie bereits gestern angesprochen befinden wir uns viel auf Reisen. Ein wenig Offenheit dabei bietet einem durchaus einige einmalige Gelegenheiten, wie die Bekanntschaft mit Tetetra oder eben einem Schwertmeister aus dem Osten.“

Wie viel konnte ich sagen ohne weitere Nachfragen zu riskieren, deren Antworten sich früher oder später als Lüge herausstellen würden? Ja, wir hatten den Schwertkampf in Japan gelernt aber alles was ich Lissandra über den Osten erzählen würde, wären die Tatsachen aus einer anderen Welt. Andererseits: Wie hoch standen die Chancen, dass Salvai und Lissandra sich jemals ein eigenes Bild davon machen würden? Reisen war hier für Menschen nicht derart einfach, kostengünstig oder gar ungefährlich. Allerdings hielt die Richtung des Gesprächs durchaus auch ihre Gelegenheiten für mich bereit. „Um der Wahrheit die Ehre zu geben, sollte es Erwähnung finden, dass unsere Ankunft in diesen Gegenden noch nicht lange zurückliegt. Ich bitte daher bereits vorab um Entschuldigung sollten uns hiesigen Gepflogenheiten oder wichtige Persönlichkeiten unbekannt sein. Unhöflichkeit ist selten unsere Absicht insofern unser Gegenüber sich zu benehmen weiß.“ Der letzte Satz wurde von einem angriffslustigen Grinsen begleitet und machte hoffentlich deutlich, dass ich mich nicht nur mit dem Schwert, sondern auch verbal zu verteidigen wusste, sollte die Notwenigkeit bestehen.

„Ihr lobt meine Schwertkunst ohne jemals ihr Zeuge gewesen zu sein“, beteiligte sich Vitas mit ruhiger Stimme ebenfalls an dem Gespräch. Nachdem er das Wasser eingeschenkt hatte, hatte er seine vorherige Position wieder eingenommen, hob nun jedoch den Kopf von seiner Hand um sich nicht selbst beim Sprechen zu behindern. „Selbst konnte ich Eure Kunst ebenfalls nicht bewundern, doch hat Viren in hohen Tönen von Eurem Können gesprochen und ich vertraue seinem Urteil. In diesem Sinne steht Euch nicht weniger Anerkennung zu. Ganz gleich um welche Kunst es sich handelt. Sie zu beherrschen erfordert immer Zeit und Anstrengung.“ Während er sprach glitt der Blick seiner tiefschwarzen Augen von Lissandra zu Salvai. „Die Kunst des Bogenschießens bildet dabei keine Ausnahme. Die Tatsache, dass eine Mutter Euch ihr Vertrauen soweit schenkt, Euch mit einem tödlichen Pfeil auf ihren Ehemann und Vater ihrer Kinder schießen zu lassen, ist ein unumstößlicheres Zeugnis für Euer Talent als jeder Kampf es je sein könnte. Ich möchte niemals derjenige sein, auf den Euer Pfeil in der Absicht zu töten gerichtet ist.“ Nach seinem eigenen Becher greifend, nahm nun auch Vitas einige Schlucke. Ich konnte seinen Worten nur zustimmen. Die beiden schienen derart beeindruckt von der Vorstellung, dass wir unsere Kampfkunst anderenorts erlernt hatten, dass sie dabei über ihr eigenes Können hinwegsahen. Lissandra hatte äußerst eindrucksvoll bewiesen, dass sie mit mir Schritt halten konnte. Ganz gleich wo die Waffe ihren Ursprung hatte, die Gefahr lag in der Hand, welche sie führte. Ein Schwert oder Bogen alleine tötete niemanden.

Salvai
Er beobachtete seine Verlobte dabei, wie ihr Blick nach wie vor gebannt auf Viren und Vitas Schwertern lag. Ein Thema das sie gedanklich sehr zu beschäftigen schien, denn sie schwieg und schien über Virens Worte nachzudenken. Derweil ergriff Salvai schließlich das Wort, als Vitas sein Kompliment aussprach. Er hatte Recht und er wusste um die Schwere der Bedeutung, dass es ein unumstößlicher Vertrauensbeweis gewesen war. Veira hatte das Stück geschrieben und die Szene daher selbst geplant, aber nie hatten sie noch Maestro daran gezweifelt das er verfehlen könnte. Er selbst allerdings auch nicht, ihm war klar das er sein Handwerk konnte. “Ich danke Euch, als die beiden mir die geplante Szene unterbreitet hatten war ich erst überrascht. Aber es ist eine Ehre das beide mir dieses Vertrauen schenken.“ Es legte sich gar eine leichte Röte auf seine Wangen, es bedeutete ihm mehr als man denken könnte. Immerhin begleiteten sie die anderen erst seit einem halben Jahr, in der Zeit hatte sich allerdings ein Band der Freundschaft und Familie gebildet, das Stärker war als er Anfangs gedacht hatte. Sie hatten trotz der kurzen Zeit bereits einiges erlebt und nicht selten hatten die anderen seine Künste mit Pfeil und Bogen zu Gesicht bekommen. Die Gruppe gegen Räuber und Diebe zu verteidigen oder zur Jagd zu gehen, waren beinahe tägliche Aufgaben. Der braunhaarige spürte schließlich Lissies Hand auf seinem Oberschenkel, welche sanft darüber strich. Ihr warmer Blick striff ihn kurz, bevor sie nun etwas dazu sagte. Virens Grinsen war ihr dabei nicht entgangen. “Ich kann Euch nur zustimmen Vitas. Ich kenne keinen anderen Bogenschützen, dessen Pfeil mehrere hundert Meter vom Pferderücken aus mit einer derartigen Präzision sein Ziel treffen kann.“ Die Worte seiner Verlobten verstärkten die Röte in seinem Gesicht schließlich, während er von seinem kalten Bier nippte. Sein Vater hatte ihm das ganze Wissen gelehrt. Der Bogen musste an seinen Körper angepasst sein, die Pfeile mussten gut genug gefertigt sein, es galt die Windrichtung zu beachten, die Spannung der Bogensehne, es galt zu wissen wie der Pfeil fliegen würde wenn er sich erst einmal gelöst hatte. Es war nicht einfach gewesen, aber die damalige Not und die Umstände hatten keine Fehler erlaubt. “Ich weiß Eure Worte sehr zu schätzen.“ Sagte er schließlich etwas bescheiden, zwinkerte Lissie aber etwas zu. Sie übertrieb zwar nicht, aber er wollte nicht, dass es wie Angeberei wirkte.

Lissie rollte etwas vergnügt mit den Augen und griff schließlich wieder das ursprüngliche Thema auf, dabei lehnte sie sich wieder etwas zurück. “Macht Euch keine Sorgen, die Bräuche und Gepflogenheiten sind nahezu von Stadt zu Stadt unterschiedlich. Außerdem fallen mir im Moment wenige bekannte Persönlichkeiten ein die wirklich nennenswert wären, bis auf die Königsfamilie und die ein oder andere Adelsfamilie. Andere Gruppen so wie Tetetra gibt es durchaus nur sind wir noch keiner so wirklich begegnet und wenn ja, waren sie uns gegenüber etwas… zurückhaltend.“ Es war verständlich, immerhin waren sie auch Konkurrenz. “Von einer bekannten Persönlichkeit kann ich Euch aber unterbreiten, Theodor Russ.“In ihrer Stimme schwang schließlich deutliche Bewunderung mit als sie von ihrem ehemaligen Lehrer erzählte. Sein Name zumindest war unter den Einheimischen bekannt. “Ich hatte den Schwertmeister als Lehrer, ohne ihn hätte ich niemals dieses Können erarbeitet das ich inzwischen besitze. Von ihm erlernte ich den beidhändigen Umgang mit Schwertern, er war für die Art des Kampfes auch bekannt und führte immer zwei Schwerter zeitgleich. Im Schwertkampf galt er als ungeschlagen, er selbst trainierte die Leibwächter des Königs und dessen Sohn. Seine Familie bestand bereits seit Generationen aus wahrhaftigen Schwertkämpfern, die ihr Handwerk im Schlaf beherrschen konnten.“ Erst jetzt genehmigte sie sich einige Tropfen vom Bier, ihr lag noch einiges mehr auf der Zunge, aber sie wollte nicht alle unnötig lange zutexten.

Salvais Wangen nahmen einen leichten Rotton an als er sich für Vitas‘ Kompliment bedankte. Und das Rot wurde noch dunkler als sich Lissandras Hand unter dem Tisch bewegte. Das Ziel ihrer Finger war durch die Tischplatte verborgen aber ich war mir nicht sicher ob die Reaktion ihres Verlobten wirklich ihren Worten geschuldet war oder doch eher der Berührung Lissandras. Uniform und Öffentlichkeit. Es drängte sich mir der Verdacht auf, dass die beiden nicht so unschuldig waren, wie sie wirkten. Jedoch spiegelte sich nichts von diesen Gedanken auf meinen Zügen wieder. Wie es sich geziemte war mein Blick aufmerksam auf denjenigen gerichtet, der gerade das Wort ergriff während ich beide Hände um den Becher legte, einfach nur um ihnen etwas zu tun zu geben. Der Braunhaarige besaß eine bodenständige Selbstsicherheit, welche extrem selten anzutreffen war. Sicher in seinem Können aber nicht überheblich. Seine goldenen Augen richteten sich auf seine Verlobte als er ihr zuzwinkerte und auch meine Aufmerksamkeit glitt zu ihr als sie begann einige Informationen mit uns zu teilen. Ein Name fiel. Theodor Russ. Auch der Schmied hatte den Namen erwähnt. Jedoch nur am Rande und war nicht weiter darauf eingegangen. Lissandra lieferte nun weiter Informationen zu seiner Person und die Bewunderung, welche sie für diesen Mann empfand schwang dabei unüberhörbar mit. Ihr Lehrer. Und der des Prinzen. Vitas sagte nichts dazu und auch sein Blick war weiter höflich interessiert, doch wusste ich, dass sie sein Interesse geweckt hatte. Jedoch entging mir auch die Vergangenheitsform ihres kurzen Berichtes nicht.

„Eure Bewunderung ist deutlich herauszuhören. Es wäre uns eine Ehre gewesen, Euren Lehrer persönlich kennen zu lernen. Doch schließe ich aus eurer gewählten Zeitform, dass er nicht mehr unter den Lebenden weilt?“ Ich schlug einen sanften Tonfall an. Lissandra hatte den Mann erwähnt aber ich wollte nicht tiefer in ihre Erinnerungen dringen als sie bereit war von sich aus zu berichten. „Vitas ist nicht sehr gut darin sein Interesse zu zeigen aber wenn ihr bereit seid mehr zu berichten kann ich Euch versichern, dass er Euch für einen längeren Zeitraum seine Aufmerksamkeit nur zu bereitwillig schenken wird. Das selbe gilt natürlich auch für mich aber ich fürchte für detailreiche Gespräche über die Kunst des Schwertkampfes bin ich nicht der richtige Ansprechpartner.“ Ja, ich lernte was Vitas mir beibrachte. Jedoch weniger um meines als um seines Willen. „Dem kann ich nur zustimmen“, erhob der Weißhaarige nun doch die Stimme. „Vielleicht ergibt sich für uns beide einmal die Gelegenheit uns ausführlich zu unterhalten ohne dabei unsere Begleitung zu langweilen.“ Sein Blick glitt dabei von Salvai zu mir und ich öffnet den Mund um etwas zu sagen, schloss ihn dann jedoch kommentarlos wieder. Ja, ich wollte nicht unhöflich sein aber wenn die beiden jetzt begannen sich über verschiedene Arten von Angriff und Verteidigung zu unterhalten würde meine Höflichkeit einen schnellen Abgang aus dem Gasthaus machen und mich zwingen ihr zu folgen.