Salvai
Auch er war gespannt, ob Viren der Bitte nachkam den richtigen Ursprung der Melodie zu offenbaren. Allerdings kam seine Reaktion unerwartet und heftig, kurz hatte er Lissies Worte widerholt bevor er aprupt aufstand. Niemandem war entgangen welch Kälte in der Stimme lag, alle Blicke waren auf ihn gerichtet als er ihnen schließlich viel Erfolg wünschte und dann einfach ging. Auch der braunhaarige erhob sich, kaum das Viren sich abgewandt hatte. Kurz legte er unterm vorbeigehen seiner Verlobten die Hand auf die Schulter, bedeutete ihr somit hier zu bleiben. Sie hatte sich ebenfalls erheben wollen, blieb aber nach seiner Geste schließlich sitzen. Verwirrtheit lag in ihrem Blick und ihm war klar, dass sie natürlich dachte etwas falsches gesagt zu haben. Vermutlich hatte sie das auch, Virens Reaktion war eindeutig gewesen. Aber er konnte leider nicht ergründen weshalb, natürlich mochte das Lied einen interessanten aber traurigen Geschmack haben. Aber vielleicht hatte etwas davon den schwarzhaarigen verletzt, was ihnen im Moment nicht sonderlich klar war.

Die Dunkelheit hatte den Barden schnell verschluckt, aber er ging in die selbe Richtung zurück aus der sie gekommen waren. Daher beschleunigte er seine Schritte, natürlich kannte er ihn erst seit heute. Aber es wäre Schade, wenn sich ihre Wege so derartig schnell und unter solchen Umständen für immer Trennen könnten. "Viren! Wartet." Bat er schließlich, "Lasst mich Euch zumindest begleiten." Natürlich war ihm bewusst, dass seine Reaktion gezeigt hatte das er nun allein sein wollte. Aber es lag nicht an seiner Art es so stehen zu lassen. Daher lag in seiner Stimme auch ein eindringlicher Ton der zeigte, dass er sich im Moment nicht so leicht abwimmeln lies. Trotz der Dunkelheit konnte er seine Umrisse erkennen, weil ein einzelnes Zimmer in der Gaststätte noch beleuchtet war. Daher war er auch relativ schnell an seiner Seite. Er fragte nicht, ob alles in Ordnung war. Dem war anscheinend nicht so. Aber er wusste auch nicht ob er nun nachhaken sollte, ob er im Namen seiner Verlobten erläutern sollte das hinter ihren Worten keine böse Absichten gesteckt hatten. Aber dafür fehlte ihm das Verständnis, er wusste immerhin nicht warum er so heftig darauf reagierte. Aber er wollte verflucht sein wenn er Viren deswegen einfach gehen lies ohne etwas richtig zu stellen, das könnte er sich danach noch ewig vorwerfen. Immerhin sollte ihm bewusst sein das seine Gesellschaft immer Willkommen war, allein durch den Schwertkampf und dem Gesang von Lissie war er ihm unendlich dankbar trotz der kurzen Zeit die sie sich kannten. Er wusste vermutlich nicht, was für einen Wert es für ihn hatte. Sie glücklich zu sehen war das wichtigste in seinem Leben. Die anderen verblieben beim Lagerfeuer und als Salvai zusätzlich noch verschwunden war, breitete sich eine fast schon unangenehme Stille aus. Die anderen waren noch immer überrascht und verwirrt, bevor sie darüber sprachen was ihn dazu bewegt haben könnte so abrupt zu gehen. Annette war sich schließlich ziemlich sicher, dass es an ihrer Frage nach dem Lied hinter der Melodie gelegen hatte.

Ich konnte die schnellen Schritte in meinem Rücken hören noch ehe der Braunhaarige nach mir rief. Hatte er nicht verstanden, dass er mich alleine lassen sollte? Oder hatte er beschlossen den Unterton zu ignorieren? Seinem eigenen Tonfall nach wohl eher Letzteres. Ich tat was er verlangt hatte und blieb schlagartig stehen, drehte mich nicht weniger ruckartig in seine Richtung. Bei ausreichend Licht hätte alleine der Ausdruck in meinen Augen gereicht um ihn das Weite suchen zu lassen. Doch verlangte die Finsternis, dass ich auf andere Mittel zurückgriff. „Lasst mich in Frieden!“ Der Tonfall war unnötig heftig, sorgte doch alleine die Magie darin dafür, dass Salvai dieses Mal Folge leisten und zu seinen Leuten zurückkehren würde. Mir stand nicht der Sinn danach mit ihm zu diskutieren. Ich wollte meine Ruhe und diese würde ich nun auch bekommen. Den Braunhaarigen würde zum Lagerfeuer zurückkehren. Sobald er dort war, würde der Befehl nachlassen und es ihm freistellen mir erneut zu folgen. Doch wäre ich bis dahin längst in den Straßen der Stadt verschwunden.

Salvai also an Ort und Stelle stehen lassend, wand ich mich von ihm ab und setzte mit schnellen Schritten den Weg durch die Gasse fort. Kaum hatte ich sie verlassen, legten sich schlanke aber deswegen nicht weniger starke Finger um mein Handgelenk. Der Griff zwang mich dazu einen Schritt zur Seite und damit vor den Weißhaarigen zu machen, welcher am Ende des Durchgangs auf mich gewartet hatte. Wütend starrte ich auf seine Brust, welche sich mit jedem seiner ruhigen Atemzüge unter dem schwarzen Hemd langsam hob und senkte. Vitas war nur wenige Zentimeter größer als ich und ich hätte nur den Blick geradeaus richten müssen um ihm in die Augen sehen zu können aber ich wollte nicht. „Du hast die Gesellschaft der Schausteller genossen. Wieso also der plötzliche Abgang?“, wollte er leise wissen. Meine Zunge war schneller als mein Gehirn. „Du weißt warum!“, fuhr ich nun ihn an. „Du hast gehört wovon sie gesungen hat!“ Seine Antwort war erst nur ein nachdenkliches Summen während dem seine freie Hand eine der langen Strähnen aus seinem Gesicht strich. „Ebenso wie ich deine übereilte Handlung gesehen habe und im Gegensatz zu dir auch die Reaktion der Schausteller darauf. Sie sind gute Menschen insofern das für ihre Art möglich ist und du erkennst dies ebenso wie ich.“

Dieses Mal hatte weder meine Zunge noch mein Gehirn etwas dazu zu sagen. Ich wusste, dass er Recht hatte aber das entschuldigte nicht Lissandras Sicht auf uns. Vitas seufzte resigniert ehe er fortfuhr. „Du bist nur wütend, weil du wütend sein willst.“ Er hatte kaum zu ende gesprochen als mein Kopf nach oben ruckte und ich wusste, dass ich verloren hatte. Sobald der Blick seiner endlos schwarzen Augen auf den meinen traf, fühlte ich die Wut versiegen. Das kindische ‚Gar nicht wahr‘, welches mir bereits auf den Lippen lag, verließ diese niemals. Vielleicht hätte ich noch einmal nachfragen sollen ehe ich ihnen einfach den Rücken gekehrt hatte. „Ich werde nicht zurückgehen um mich zu entschuldigen“, sagte ich stattdessen, jedoch nicht weniger schmollend. Vitas lachte leise auf. „Sie werden hier auftreten, nicht wahr? Wir werden uns ihre Vorstellung ansehen und bis dahin kannst du dir überlegen was du ihnen zu sagen hast … wenn sie dann noch bereit sind mit dir zu reden.“ Das hieß wir würden erst einmal hier bleiben. Ich nickte langsam woraufhin sich die Finger von meinem Handgelenk lösten. Mit einer kurzen auffordernden Bewegung seines Kopfes, ging Vitas an mir vorbei in Richtung des Gasthauses in welchem wir untergekommen waren. Mit wenigen schnellen Schritten schloss ich zu ihm auf ehe wir Seite an Seite in den Straßen verschwanden.

Salvai
Noch immer hatte er sich in seine Richtung bewegt, blieb allerdings ruckartig stehen als er seine Worte vernahm. Erneut heftig und klar genug, dass er sich wohl eingestehen musste ihn gehen zu lassen bevor es noch ausarten könnte. Schließlich sagte er nichts mehr und wandte sich wieder ab um zu den anderen zurückzukehren, dabei dachte er darüber nach weshalb die Situation so schnell und abrupt eskaliert war. Ihn hatte Lissies Lied getroffen, auch wenn er Anfangs noch beeindruckt gewirkt hatte. Aber sie kannten sich lediglich einen Tag, vielleicht hatte sie unbeabsichtigt einen wunden Punkt getroffen der für sie im Moment nicht wirklich zu erkennen war. Kurz vor dem Lagerfeuer blieb er erneut stehen und blickte zurück in die Dunkelheit, aber Viren war vermutlich bereits längst verschwunden. Sollte das hier ihre letzte Begegnung gewesen sein? Er beschloss nicht weiter darüber nachzudenken, die Antwort würde er immerhin nicht wissen.

Die anderen standen bereits und hatten begonnen aufzuräumen, sammelten die Becher und Schüsseln zusammen und sprachen eher in einem gedämpften Ton. Lissie nahm gerade die Kreuzer von Annette entgegen die für Salvai waren, als er schließlich im Schein des Feuers wieder auftauchte. Nach kurzer Stille war allerdings den anderen bewusst das er alleine war und er wohl mit seinem Versuch mit ihm zu reden gescheitert war. Während Isaac, Rosetta und Annette zurück zum Wagen gingen, kam Jakob schließlich auf die Beiden zu. Entgegen der Gesamtstimmung hatte er ein Lächeln im Gesicht, bevor er Salvai leicht die Schulter klopfte. "Macht euch keine Vorwürfe, wir können nicht wissen was in ihm vorgeht. Ich bezweifle das er es so stehen lassen möchte. Legt euch jetzt hin und bleibt nicht unnötig lange wach, morgen wird der Tag anstrengend." Der ältere verabschiedete sich schließlich in die Nacht und überlies das Löschen des Feuers Salvai. Er und Lissie saßen entgegen Jakobs Worte noch länger am Feuer, dabei hatte er einen Arm um sie gelegt. Seine Verlobte schien sich noch den Kopf darüber zu zerbrechen, immerhin hatte sie mit ihm viel Spaß gehabt und doch war er aufgrund ihres Liedes schließlich gegangen. Stumm hörte er sich das noch eine Weile an, bevor er seine freie Hand an ihre Wange legte und sie somit dazu brachte ihn anzusehen. "Jakob hat Recht, wir wissen nicht was in ihm vorgeht. Wir kennen ihn nicht lange genug um zu wissen was ihn verletzt und was nicht."

Sie stimmte ihm schließlich zu und erhob sich dann seufzend, zog ihn allerdings mit der Hand nach oben. Ein eindeutiges Zeichen das sie sich nun auch Schlafen legen sollten. Daher trat er das Feuer aus während Lissie leise die Decke aus dem Wagen holte und die Schwerter verstaute. Alle schliefen in dem Wagen, bis auf Jakob der es sich immer auf dem Kutschbock bequem machte und Salvai und Lissie, die kein Problem damit hatten auf dem Dach des Wagens zu schlafen. Kaum hatte sie die Decke geholt kletterten sie beide daher leise nach oben, breiteten die Decke aus und legten sich schließlich hin. Dabei diente Salvais Arm immer als Kopfkissen. Irgendwann hatten sie sich angewöhnt oben zu schlafen, den Blick zum Sternenhimmel und den kühlen Wind spürend. Während seine Verlobte irgendwann eingeschlafen war, musterte er noch immer die Sterne über ihn und dachte nach.

Mit einem Schnauben schlug ich die Augen wieder auf. Vitas und ich waren ins Gasthaus zurückgekehrt, hatten uns schlafen gelegt. Doch wollte der Schlaf nicht kommen. Von der Zimmerdecke aus blicke mir Lissandra entgegen. Ihr Gesichtsausdruck in dem Moment in welchem ich von der Bank geschnellt war weigerte sich zu verschwinden. Genervt drehte ich mich zur Seite in Richtung der hölzernen Wand, doch begegneten mir dort nun die goldenen Augen Salvais. Er war mir nicht gefolgt um mir Vorwürfe über mein Verhalten zu machen. Nein, die Gruppe suchte die Schuld zuerst bei sich selbst. Nicht ahnend, worin ihr Fehler bestand. Irritiert darüber, dass ich mich davon überhaupt wachhalten lies drehte ich mich auf die andere Seite. Dort stand das zweite Bett dieses Zimmers in welchem Vitas mir zugewandt lag. Er hatte die Augen geschlossen, sein Atem ging ruhig und doch war er ebenfalls wach. „Willst du darüber reden?“ Seine Stimme war schlaftrunken und zeigte mir damit, dass mein unruhiges Hin und Her hin aufgeweckt hatte. Ich schüttelte den Kopf. „Nein.“ Ich wollte nicht über Tetetra reden aber vielleicht würde ein anderes Gesprächsthema meine Gedanken von den Schaustellern lösen. „Konntest du bereits etwas in Erfahrung bringen?“, wechselte ich daher das Thema. Erst kam nur ein zustimmender Laut von dem Weißhaarigen und ich war mir nicht sicher ob er nicht bereits dabei war wieder einzuschlafen als er schließlich doch noch einmal die Stimme erhob. „Eine Gruppe von drei Dämonen hält sich in dieser Gegend auf. Einer von ihnen verfügt über die Macht Wege in andere Welten zu öffnen. Ich wer… „

Mit einem Schlag hellwach schoss ich in eine sitzende Position, unterbrach damit die Antwort des Weißhaarigen und bewegte ihn dazu nun doch die Augen zu öffnen. Fragend sah er mich an. „Diavolo! So nennt sich der Rothaarige, nicht wahr?“, beantwortet ich seine unausgesprochene Frage mit einer Gegenfrage. Der Schlaf wich aus seinen Zügen als er nickte und sich nun selbst in eine sitzende Position hievte. „Sie sind in dieser Stadt. Ich habe sie heute kennengelernt. Ich weiß wo sie sind.“ Ein Weg nach Hause! Ich sprach so schnell, dass es selbst für Vitas schwer sein musste mir zu folgen. Der Butler sagte sie würden erst in den frühen Morgenstunden abreisen. Das hieß sie mussten noch hier sein. Ohne weiter Fragen zu stellen folgte Vitas meinem Beispiel. Rasch waren wir beide umgezogen. Und auch wenn ich nichts lieber täte als mich in die Lüfte zu schwingen und so den Weg zum andern Gasthaus schneller hinter mich zu bringen, beherrschte ich mich. Ich konnte darauf verzichten von einer übereifrigen Wache abgeschossen zu werden.

Während wir durch die nächtlichen Straßen eilten berichtet ich Vitas von meinem Zusammentreffen mit den dreien. Der junge Mann, welcher nachts den Empfang besetzte berichtete uns bereitwillig, dass die drei Männer sich eingemietet hatten. Soviel wusste ich auch. Was jedoch neu für mich war, war die Information, dass sie scheinbar ihre Pläne geändert hatten. Sie hatten die Pferde wieder vorgespannt und sich beeilt die Stadt zu verlassen ehe die Tore für die Nacht geschlossen worden waren. Wir hatten sie verpasst. Schweigen zwischen Vitas und mir war selten unangenehm. Doch als wir nach dieser Erkenntnis stumm nebeneinander her zurück in unser Gasthaus gingen fühlte sich die Stille schwer an. Der Hellhaarige hing seinen Gedanken nach während in mir ein Sturm aus Wut über meine eigene Unfähigkeit tobte. Ich hatte sie einfach ziehen lassen. „Ein Weg nach Hause“, hörte ich mich selbst sagen. „Und ich habe versagt!“ Ruckartig blieb ich stehen, meine Hand schlug heftig gegen die Mauer zu meiner linken. Ich holte aus um den Hieb zu wiederholen, doch legten sich warme Finger um mein Handgelenk, hinderten mich daran. Sturmgrau traf auf endloses Schwarz als sich mein Blick in dem von Vitas verankerte. Seine Augen erinnerten mich immer wieder an die glatte, gänzlich ungestörte Meeresoberfläche. Die ersten Meter herrschte klares Wasser, welches nichts verbarg. Doch darunter lag eine undurchdringliche Schwärze, welche keinen Hinweis darauf gab was in ihr lauerte.

Diese Schwärze richtete sich nun nach unten auf meine Hand, welche in Vitas‘ Griff lag. Mit sanfter Gewalt drehte er meine Handkante nach oben, offenbarte damit die wenigen Blutstropfen welche aus der aufgerissenen Haut quollen. „Du konntest nicht wissen mit wem du es zu tun hast.“ Dessen war ich mir bewusst aber ich hatte die Macht des Rothaarigen gefühlt. Auch wenn er nicht derjenige mit den benötigen Kräften war, wie Vitas mir auf dem Weg in die andere Richtung mitgeteilt hatte. Der Butler war derjenige mit Macht über Raum und Zeit. „Darüber hinaus ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ich nicht gewillt sein werden den Preis für ihre Hilfe zu bezahlen“, sprach Vitas leise aber deshalb nicht weniger bestimmt weiter. Ein jeder Handel mit einem Dämon hatte seinen Preis. Ein Sprung in eine andere Welt würde dementsprechende Kosten mit sich bringen. „Du könntest ihn dazu zwingen?“ Vitas schwieg für einige Herzschläge auf meine Frage hin. Er verfügte über Mächte deren Grenzen wir bisher noch nicht in Erfahrung gebracht hatten und auch diese Mal nickte er langsam.

„Vermutlich. Aber er ist nicht alleine und diese drei gehören den mächtigsten ihrer Art an. Wenn es sich vermeiden lässt, werde ich sie mir nicht zum Feind machen. Darüber hinaus hat unser Weg hierher nicht über sie geführt. Also werden wir auch ohne sie einen Weg in die andere Richtung finden. Sie sind EINE Möglichkeit. Nicht die einzige.“ Damit hatte er Recht. Ich atmete einmal tief durch und die Anspannung wich aus meinem Körper, woraufhin sich auch Vitas‘ Griff um meine Hand löste. Der verbleibende Weg zurück zum Gasthaus verlief ebenfalls schweigend, nun jedoch nicht mehr unangenehm. Doch auch wenn ich wusste, dass Vitas‘ Worte der Wahrheit entsprachen fand mein Geist keine Ruhe nachdem wir uns wieder zu Bett begeben hatten. Ein Weg nach Hause. Wenn ich weiter gedacht hätte als an meine eigene Unterhaltung, könnten wir vielleicht jetzt schon zu Hause sein. Oder wir wüssten wenigstens was der Preis des Butlers für unsere Heimkehr wäre. Doch so? Ich hatte Vitas im Stich gelassen. Ich hatte … „Schlaf“, unterbrach der sanfte Befehl des Hellhaarigen meine Gedanken und ich konnte fühlen wie seine Macht ihre Wirkung entfaltete. Das Chaos in meinem Kopf verstumme und ich fiel in einen tiefen traumlosen Schlaf.

Salvai
Er und die anderen waren bereits früh wach um die Vorbereitungen für den heutigen Tag zu treffen, sie hatten vor heute ein Theaterstück zu ihrem besten zu geben. Danach würden noch vereinzelte Vorstellungen folgen, die Gesang und Musik beinhalteten. Immerhin mussten sich die wenigen Tage in einer Stadt lohnen um davon die Gruppe ernähren zu können. Veira bereitete Milchreis als Frühstück vor, Maestro stimmte seine Instrumente, Isaac und Rosetta übten miteinander noch ein paar Texte, Jakob war zusammen mit Annette und den Kindern in die Stadt gegangen um mündlich unter das Volk zu bringen das Mittags auf dem Marktplatz ein Schauspiel von Tetetra aufgeführt werden soll. Er selbst übte gerade die wenigen Stellen die er in dem Auftritt hatte während Lissie ihm interessiert zuhörte, im Gegensatz zu ihm war sie sehr textsicher und hatte es nicht nötig noch einmal alles durchzugehen. Schließlich stand sie auf und legte ihm beide Hände an die Schultern, "Du wirkst nicht ganz bei der Sache." Sagte sie schließlich mit einem besorgten Ton, weshalb der braunhaarige dann etwas seufzte und ihrem Blick auswich. "Mir geht das von Gestern noch immer etwas in Gedanken um." Gestand er dann mit einem leichten lächeln. "Mir auch, aber wir müssen uns jetzt konzentrieren. Vielleicht... ergibt sich noch einmal die Möglichkeit mit ihm zu reden. Selbst wenn nicht, hast du es zumindest versucht." Sie hatte natürlich Recht, aber dennoch schlug es ihm im Moment etwas aufs Gemüt.

Allerdings kannte seine Verlobte anscheinend ein gutes Mittel um ihm gleich wieder ein ordentliches Lächeln auf die Lippen zu zaubern, in dem sie sich auf die Zehenspitzen stellte um ihren Mund dann fest gegen seinen zu drücken. Den Kuss erwiderte er natürlich und fast hätten sie auch vergessen, dass sie mitten im Hinterhof des Gasthauses standen und nicht allein waren. Den Kuss nach längerer Zeit schwer atmend lösend strich er mit seiner Hand etwas verträumt über ihre geröteten Wangen, "Jetzt geht es mir schon viel besser." Sagte er dann breit grinsend. Es entsprach auch der Wahrheit, es gelang ihm zumindest sich jetzt ordentlich auf den bevorstehenden Auftritt zu konzentrieren. Allerdings wurde erst einmal gefrühstückt als wieder alle im provisorischen Lager waren, es herrschte dabei um das Lagerfeuer eine angenehme Stimmung. Natürlich wurde Viren erneut Thema, allerdings waren die anderen lediglich am rätseln und überlegen. Vor allem die Kinder waren enttäuscht, hatten sie doch gehofft am nächsten Tag noch mehr Geschichten von ihm hören zu können. Veira und Maestro waren allerdings wie Jakob der Meinung, dass es nicht das letzte Mal wäre das sie ihm begegnet waren. Der Optimismus der Gruppe sorgte zumindest dafür dass das Ende des gestrigen Abends nicht mehr schwer in den Mägen aller lag. Daher lenkte sich das Thema bald schon auf die bevorstehende Vorstellung, Maestro hatte die Bühne am Marktplatz bereits am Vortag gemietet so das alles organisatorische grundlegend abgehakt war.

Als ich die Augen das nächste Mal aufschlug flutete bereits Sonnenlicht den Raum und das Bett gegenüber war leer. Entspannt streckte ich mich soweit das im Liegen möglich war ehe mein Blick weiter durch das Zimmer glitt und schließlich auf Vitas zu liegen kam. Der Hellhaarige saß mit einer Tasse in der Hand auf einem der beiden Stühle, welche an dem kleinen Tisch in der Nähe des Fensters standen. Besagter Tisch war mit diversem frischem Obst gedeckt, welches nur direkt vom Markt stammen konnte. Ich musste nicht fragen um zu wissen, dass Vitas seit längerem auf den Beinen war. „Guten Morgen“, summte er gut gelaunt nachdem er einen Schluck aus der Tasse genommen hatte. „Ausgeschlafen?“ Meine Antwort bestand nur aus einem zustimmenden Summen Ich konnte mich an kein einziges Mal erinnern bei dem Vitas‘ Kräfte mir keinen erholsamen Schlaf beschert hatten. Auch mein Kopf fühlte sich klarer an. Das Chaos war gewichen. Ja, wir hatten die Dämonen verpasst aber es gab andere Wege. Die Decke beiseite schlagend, hievte ich mich in eine sitzende Position um die Auswahl auf dem Tisch besser in Augenschein nehmen zu können.

„Ich war auf dem Markt“, eröffnete Vitas mir das Offensichtliche und ich wusste, dass mir der folgende Satz nicht gefallen würde. „Rate, wer sich ebenfalls dort aufgehalten hat.“ Meine Antwort darauf bestand nur aus einem unwilligen Brummen als ich die Beine aus dem Bett schwang und auf bloßen Füßen näher trat. Ich musste nicht raten um die Antwort zu kennen. Das wusste ich und das wusste er. Also schwieg ich während meine Wahl erneut auf einen Apfel fiel. Mich auf den zweiten Stuhl niederlassend nahm ich den ersten bissen davon. „Tetetra wird heute Mittag auf der Marktbühne auftreten“, eröffnete mir Vitas bester Stimmung ungefragt und ungeachtet der Tatsache, dass ich versuchte das Gespräch zu ignorieren. „Müssen sie wirklich das erste Thema sein über welches wir uns heute unterhalten?“, gab ich meinen Widerstand auf und biss ein weiteres Mal in das Stück Obst. Vitas summte erneut amüsiert. „Müssen nicht aber mir ist danach.“ Ich seufzte resigniert. Wann hatte ich ihm das letzte Mal eine Bitte abgeschlagen, auch wenn sie nur indirekt war. „Was willst du wissen?“, gab ich mich geschlagen in der festen Überzeugung, dass gleich wie dieses Gespräch verlaufen würde, wir uns heute Mittag an der Bühne auf dem Marktplatz wiederfinden würden um dem Theaterstück des Schützen mit den goldenen Augen und dessen Leuten beizuwohnen.

Salvai
Er saß mit den anderen um das Feuer, dabei erhielt jeder von ihnen schließlich eine Schale Milchreis der er sich mit Freuden widmete. Essen war definitiv etwas das er gerne tat, so nahm er sich nach wenigen Minuten bereits Nachschlag während die anderen noch über die erste Schüssel drüber waren. Veira und Maestro unterhielten sich gerade über das neue Stück das sie aufführen würden, "Ich bin schon so gespannt ob alles so funktioniert, wie ich es mir im Kopf zusammengereimt habe." Veira schwelgte dabei etwas in Gedanken, während ihr Mann etwas über ihr Knie streichelte. "Je nachdem was es uns in die Kasse spielt wissen wir ob es sich gelohnt hat, unser letztes Stück war zumindest ein großer Erfolg." Seine Augen funkelten etwas, als er an die Vorstellungen in der letzten Stadt dachte. Dort hatten sie ebenfalls eines gespielt das er mit Veira und Annette konzipiert hatte. Die Auftritte dort hatten mehr Geld eingespielt als normalerweise, daher war die Gruppe was Vorräte betraf noch gut aufgestockt. Natürlich war der Aspekt der Kunst wichtig, aber um eine Gruppe wie diese auf Dauer leiten und halten zu können war es wichtig das zumindest einer von ihnen wie Maestro darauf achtete. So hatte er bereits öfter Stücke abgelehnt oder abgeändert, um sie für das normale Volk anzupassen. Das bedeutete aber nicht das die Teatherstücke deswegen an Qualität verloren. So waren sie heute natürlich gespannt was die Menge wohl von ihrem neuen Stück halten würde.

Salvai musste sich innerlich doch etwas zusammenreißen, die wenigen Nebenrollen die er bereits gehabt hatte spielte er zwar gut - zumindest so das er sie nicht vergeigte - aber wie jedes Mal spielte natürlich etwas Lampenfieber mit rein. Die Gruppe und Lissie waren allerdings gut darin keine unangenehme Spannung bis zum Auftritt zu schüren, es war eher eine sehnsüchtige Erwartung endlich wieder auftreten zu können. Außerdem durfte er in dem Stück sogar einen spannenden Teil übernehmen zu dem sogar seine Künste mit dem Bogen in Einsatz kamen, natürlich im Zusammenhang mit einem kleinen... Risiko, aber Salvai hätte dem ganzen nicht zugestimmt würden er und die anderen sich nicht auf seine Künste verlassen. Als sie aufgegessen hatten widmete er sich daher seiner Ausrüstung und säuberte mit einem durchnässten Lappen den hölzernen aber edlen Jagdbogen. Die anderen machten sich schließlich daran die Kostüme zu verteilen. Nicht selten nahmen sie ihren Wagen mit zu den Plätzen an denen sie auftraten, aber dieses Mal ließen sie den Wagen im Hinterhof. Das bedeutete das sie sich hier fertig machten und dann mit auf sich ziehender Aufmerksamkeit Richtung Markt gehen würden. Die ersten waren bereits in ihre Kleidung geschlüpft, so das Annette damit beginnen konnte die Damen zu schminken.

Mental erschöpft folgte ich Vitas aus der Schmiede, das vertraute Gewicht einer Klinge wieder an der Hüfte. Wir hatten den Vormittag damit zugebracht nach einem neuen Schwert für mich zu suchen. Von einer Schmiede in die nächste. Von einem Laden in den nächsten. Ich konnte den Aufwand nicht gänzlich nachvollziehen. Die Erfahrung zeigte, dass Waffen in meiner Hand nicht lange überlebten aber Vitas hatte seine Standards und war nicht gewillt etwas darunter zu akzeptieren. Er bevorzugte asiatische Waffen, wie auch sein eigenes Ōdachi zeigte. Allerdings waren wir hier nicht in Asien. Wir waren nicht einmal in einer Welt in welcher dieser Kontinent überhaupt existierte. Und doch ließen sich die Parallelen zu unserer Heimat nicht leugnen. Es gelang Vitas tatsächlich einen Schmied ausfindig zu machen, welcher asiatische Waffen herstellte. Auch wenn die Bezeichnung ihres Herkunftslandes anders war, die Waffen an sich waren identisch. Naginata, Daitō, Wakizashi. Kama, Jitte, Nagamaki. ... Es hatte keine zwei Minuten benötigt ehe Vitas mit dem Schmied in eine Unterhaltung verfallen war von welcher überhaupt nur ein Teil für mich Sinn ergab. Brav hatte ich abgewartet, war ihren Anweisungen gefolgt, wenn sie mir ein Schwert überreichten. Das Ganze nahm derart viel Zeit in Anspruch, dass ich bereits angenommen hatte, dass wir es nicht mehr zum Theaterstück am Marktplatz schaffen würden. Doch hatte ich mich getäuscht. Schlussendlich fiel die Wahl auf ein Katana, welches auf den ersten Blick unauffällig wirken mochte, jedoch in Qualität kaum zu übertreffen war. Wenn ich den Worten der beiden Männer Glauben schenkte.

Als wir die Schmiede wieder verließen, hatte der Inhaber in Vitas einen neuen Freund gefunden. Dies war auch der Grund dafür, dass er uns die Klinge zu einem erniedrigten aber dennoch horrenden Preis überließ. Vitas summte überaus zufrieden vor sich hin als ich ihm mit schnellen Schritten durch die Straßen folgte. Wenn wir es noch rechtzeitig zum Beginn des Theaterstückes schaffen wollten, mussten wir uns beeilen. „Die Kunst des Schmiedens ist äußerst faszinierend“, ließ er mich schließlich an seinen Gedanken teilhaben, klang dabei jedoch als wäre er mental noch immer bei seinem neuen Freund und nicht hier bei mir. „Wir sollten uns einmal selbst daran versuchen.“ Sollten wir? Meine Reaktion bestand nur aus einem Laut, welcher alles oder nichts bedeuten konnte. Ich konnte mir mich nicht wirklich mit einem Schmiedehammer in der Hand vorstellen aber es konnte ja nicht schaden es zu versuchen. … Hoffentlich. Wir hatten auf unseren Reisen diverse Berufe ausgeübt aber Schmied war bisher nicht darunter gewesen. Es mochte mit meiner Natur zusammenhängen aber ich für meinen Teil sah mich eher in der Takelage eines Schiffes als hinter dem Amboss einer Schmiede. Aber wenn Vitas sich daran versuchen wollte, würde ich die Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen. Für den Moment jedoch galt es erst einmal den Marktplatz rechtzeitig zu erreichen. Ich hatte mich noch immer nicht entschieden ob ich wirklich noch einmal mit den Schaustellern sprechen wollte, wohingegen Vitas der unumstößlichen Ansicht war, dass ich es wollte. Wir würden in Kürze herausfinden ob es dazu kam. Nach dem Theaterstück.

Salvai
Die Mittagssonne begann auf sie herunter zu brennen, als sie schließlich die letzten Vorbereitungen getroffen hatten. Bereits auf dem Platz hinter dem Gasthof hatten sich einige neugierige Stadtbewohner versammelt, nicht wenige waren es die sich bereits jetzt für das Theaterstück der Gruppe interessierten. Maestro und Veira reisten immerhin reisten seit einigen Jahren durch jede Stadt um viele mit ihrer Schauspielkunst zu beeindrucken. Sie alle hatten sich ordentlich herausgeputzt, die Haare frisch gewaschen und gekämmt, die Kleidung glatt. Veira trug ein dunkelblaues Kleid das enger anlag als es sich geziemte, ohne Korsett und Unterröcke. Die Haare waren zu einem lockeren Dutt hochgesteckt so das schöne, braune Locken ihr Gesicht umrahmten. Dezent wurden ihre Lippen mit einem Rot untermalt, die Wimpern schwarz hervorgehoben. Lissie hingegen trug enge Hosen mit einem lockeren, weißen Hemd das von ihm stammte. Die Haare straff zurückgebunden und unter einem frechen Hut an dem eine große Fasanenfeder haftete, wie sie einige Knaben vom Land trugen. Trotz ihrer weichen Gesichtszüge konnte sie gut mit einem Mann verwechselt werden. Auch Rosetta trug ähnliche Kleidung wie sie, enge Hosen mit einem verwaschenen Hemd. Die Brüste abgebunden, die Haare hochgesteckt unter dem Hut. In ihren Händen hielt sie eine Laute. Maestro hatte sich den Bart gestutzt, die dunkelblonden Haare waren mit Absicht etwas zerzaust. Er trug einen schwarzen Mantel, darunter eine Soldatenuniform, in dem selben dunkelblau wie Veiras Kleid. Er hielt ein größeres Instrument im Arm das mit einem zusätzlichen Lederband um seinen Hals hing, eine Drehleier aus dunklem Holz. Die drei Kinder hatten alle schlichte aber ordentliche Kleidung an, jedes von ihnen hielt ein kleines Musikinstrument in der Hand. Milena hielt eine Flöte in der Hand, Arron die Mundharmonika seines Vaters und Ivan hatte eine kleine, süße Trommel um seinen Bauch geschnallt.

Isaac trug die selbe Kleidung wie Maestro, nur auf seine Größe passend geschnitten. An seiner Seite hing Lissandras Degen, welcher von dem schwarzen Mantel verdeckt wurde. Der junge Mann mit seinen 16 Jahren machte so einen guten Eindruck, dass er bereits mit einigen Mädchen flirtete bevor sie auch überhaupt nur losgegangen waren. Sein Vater stand nur daneben und schüttelte seinen Kopf, er trug edle Kleidung wie sie es adelige am Hofe besaßen. Mit Ausnahme das die Stoffe nicht aus Seide bestanden und kein Schmuck an seinen Händen zu sehen war. Annette selbst trug die Haare offen, ihr Kleid war langärmelig und ging bis zum Boden, schwarzer und grüner Stoff vermischte sich und lies sie dadurch herausstechen. Auch sie hatte die Lippen in einem Rot bemalt, Rouge auf die Wangen und schwarze Wimpern die ihre braunen Augen betonten. Salvai selbst trug ebenfalls eine Uniform, allerdings eine andere als Maestro und Isaac. Seine war rein schwarz, saß enganliegend, eine markante, grüne Stoffbinde befand sich am rechten Arm. Auf dem Rücken trug er seinen Bogen mit dem Köcher voller Pfeile, an seiner Seite war sein Jagdmesser befestigt um den Eindruck noch etwas zu verfestigen. Sie hatten auf ihren Uniformen keine Wappen, aber solche wurden auch nicht erlaubt. Es herrschte bereits seit mehr als 10 Jahren Frieden, lediglich Maestro hatte wirklich in der Armee gedient. Allerdings war die Gruppe darauf bedacht gewesen keine offiziellen Farben zu verwenden. Salvai lies schließlich den musternden Blick seiner Verlobten über sich ergehen, dabei grinste er schief. Während alle um sie herum sich zum Aufbruch bereit machten, legte Lissie ihm kurz die Hand auf die Brust. "Die Uniform kannst du nach unserem Auftritt gleich für das nächste Schauspiel anbehalten." Er hatte nicht damit gerechnet und errötete erst einmal prompt, bevor er ihre schlanken Finger in seine schwarz behandschuhte Hand nahm um einen Kuss auf ihren Handrücken zu drücken. "Von einem Knaben lasse ich mich doch nicht verführen, ich bin verlobt." Sagte er schließlich mit theatralischer Stimme, bevor er in ihr Lachen einfiel. Die Gedanken an Viren waren dabei immer mehr in den Hintergrund gerückt, da sie so viel zu tun gehabt hatten. Aber er hatte das Gefühl, dass der schwarzhaarige unter den Zuschauern sein könnte. Immerhin hatten sie am Vortag noch darüber gesprochen. Er hoffte noch immer das er nicht für immer aus ihrem Leben Verschwunden war, gern hätte er ihn besser kennen gelernt. Der braunhaarige horchte auf als Maestro begann eine aufdringliche aber stimmungsmachende Melodie auf seiner Drehleier zu spielen, bevor er bereits losging um den Hof zu verlassen. Die restlichen Schauspieler folgten ihm schließlich, die Kinder machten sich sogar selbst daran ihre Instrumente zu spielen - was sich besser anhörte, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Er und Lissie bildeten das Schlusslicht, während alle von ihnen immer wieder die selben Reden schwangen. "Begleitet uns zu unserem Schauspiel! Lasst euch überraschen von Tetetra, der Theatergruppe die euch weinen und lachen lässt." Eine Traube an Menschen folgte ihnen schließlich, während bereits Kinder und Jugendliche allein wegen der Musik begeistert waren. Die Gruppe machte Musik und riefen weitere Pirolen, bis sie den Hof verlassen hatten und nun Richtung Marktplatz gingen.

Wir konnten die Musik bereits hören als wir den Marktplatz betraten. Jedoch hatte sich unsere Eile bezahlt gemacht. Die Truppe hatte die Bühne noch nicht einmal erreicht. Begleitet von Musik und bereits einer beachtlichen Anzahl an Zuschauern marschierte sich noch über den Platz. Vitas passte sein Summen, welches er noch immer nicht aufgegeben hatte den Klängen der Schausteller an während er uns einen Weg durch die Menge in ihre Richtung bahnte. Der Markt war gut besucht und doch hatte er keine Schwierigkeiten sein Ziel zu erreichen. Ihn umgab eine Aura der Macht, welche die Menschen weichen ließ. Instinktiv. Viele der Leute schenkten ihm nicht einmal Beachtung. Sie fuhren in ihrer Tätigkeit fort und traten dabei wie selbstverständlich zur Seite. Es war zu meinem Vorteil. Ich folgte dicht hinter ihm, blieb stehen als er es auch tat und mit einem leisen anerkennenden Pfeifen sein Summen nun doch beendete. Mit fragendem Blick trat ich neben ihn um über die wenigen Leute hinweg, welche noch vor uns standen zu erkennen was ihn dazu bewogen hatte. Als ich Salvai entdeckte verabschiedete sich der Gedanke diese Frage verbal an den Weißhaarigen zu richten.

Salvai trug eine Uniform. Schwarz. Enganliegend. Bei dem Muskelspiel, welches sich unter dem Stoff abzeichnete, blieb nicht viel Raum für Fantasie. Bogen und Köcher auf dem Rücken. Messer an der Hüfte. Im Rhythmus mit den anderen heizte er bereits vorab die Stimmung soweit an, dass inzwischen einige der Zuschauer mit in den Sprechgesang eingefallen waren. Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich mir mit meiner Kleidung nicht die geringste Mühe gegeben hatte. Das zerrissene Hemd hatte ich gegen ein unbeschädigtes weißes Exemplar ersetzt aber ansonsten trug ich noch immer die schwarze Stoffhose und die blaue Bauchbinde. Vitas hatte sein schwarzes Hemd von gestern gegen ein ebenfalls weißes eingetauscht, von welchem jedoch nur die obersten beiden Knöpfe geöffnet waren und nicht wie bei mir nur knapp die Hälfte geschlossen. Seine Ärmel waren zurückgeschlagen und offenbarten das Ebenbild zu dem Armband, welches ich ebenso trug. Um Brust und Hüfte schlang sich sein breites, schwarzes Schwert-Bandelier. Eine Sonderanfertigung, welche es ihm ermöglichte das lange Ōdachi, dessen Griff über seine linke Schulter ragte auch vom Rücken aus ziehen zu können. Er hatte eine enganliegende Hose gewählt, deren Rotton beinahe Schwarz wirkte, abgerundet von wadenhohen, schwarzen Wanderstiefeln. Die weißen, knielangen Haare fielen ihm offen über die Schultern. Das wusste ich ohne noch einmal einen Blick auf ihn werfen zu müssen. Ich war ohnehin nicht sicher ob ich diesen gerade ihn von dem Braunhaarigen würde lösen können.

Als die Gruppe schließlich hinter der Bühne verschwand stand ich in der Menschenmenge davor und fragte mich, wie ich dorthin gekommen war. „Sein Anblick ist durchaus beeindruckend“, riss Vitas neckender Singsang mich aus meinen Gedanken. „Er kann noch so gut aussehen, wenn er …“, irritiert brach ich ab als ich zu meinem Begleiter herumfuhr und dabei feststellte, dass er sich gerade eine Beere in den Mund schob, welche er von der Traubenrispe in seiner Hand gepflückt hatte. „Wann … ? Wo …?“ Eben waren seine Hände noch leer gewesen. Amüsiert über meine Überraschung schnaubte der Weißhaarige. „Du warst so gefesselt, da wollte ich dich nicht unterbrechen. Traube?“, fragend hielt mir die Früchte entgegen. „Nein!“ Er machte sich über mich lustig … aber er hatte offensichtlich Recht. Wie hatte mir entgehen können, dass er mir von der Seite gewichen war, um sich an einem der Stände etwas zu besorgen? „Ja“, korrigierte ich mit einem resignierten Seufzen meine Antwort und schob mir gleich mehrere Beeren in den Mund um daraufhin das Gesicht zu verziehen als sich ihr überraschend saurer Geschmack ausbreitete.

Ich bekam ein weiteres amüsiertes Schnauben als Reaktion ehe Vitas sich die nächste Frucht zwischen die Lippen schob ohne dabei eine Miene zu verziehen. „Sieh zu. Lass dich begeistern. Und sprich anschließend mit ihnen“, wies er mich sanft an. Jegliche Neckerei war aus seinem Gebaren verschwunden. Ich knurrte nur unbestimmt. Zusehen würde ich. Immerhin war ich schonmal hier. Ob ich mich allerdings begeistern lassen würde, hing auf der einen Seite von Tetetras Leistung ab und auf der anderen ob es mir gelang für den Moment über das Ende des gestiegen Abends hinwegzusehen. Lissandras Einstellung zu uns lag mir noch immer schwerer im Magen als es sollte und plötzlich hatte ich auch keinen Appetit mehr, lehnte die dargebotenen Trauben schließlich ab. Und mit ihnen sprechen? Ob sie mir nach meinem Abgang und der darauf folgenden heftigen Zurückweisung von Salvai diese Chance überhaupt noch einräumen würden?