Salvai
Er beobachtete Viren wie dieser elegant seine Waffe auffing, es war verflucht schwer sich ein grinsen zu unterdrücken. Das Schauspiel war… eigentlich eine kleine und spielerische Einlage, aber er hatte das Gefühl, allein die kleine Herausforderung zu bewältigen hatte seinen Horizont unglaublich erweitert. Später noch konnte er sich genügend Gedanken darüber machen, allerdings galt es jetzt abzuwarten… abzuwarten wie Alexander den Kampf beenden würde. Er machte sich auf eine herablassende Bemerkung gefasst, oder auf einen endenden Stoß - aber nichts dergleichen kam. Stattdessen drehte sich Viren zu den Zuschauern, er hatte wohl beschlossen das Ende einzuleiten. Gebannt hörte er ihm zu, als würde er selbst zu den Zuschauern gehören.

Das Mädchen stellte sich als Viktoria Benoar vor, die Menge jubelte bei jeder Namenserwähnung erneut. Langsam die Hand von seiner gespielten Verletzung nehmend sah er nun zu den beiden die dich wie perfekt abgesprochen gegenseitig beim Sprechen ablösten. Wäre er Zuschauer hätte ihn das mehr als nur begeistert. Dann kam die Vorstellung der Schauspieler nun auf ihn zurück, sie stellten ihn vor und machten gleichzeitig noch Werbung zu Tetetra. Ohne es zu bemerken hielt er die Luft an, bevor er sich aus seiner Position erhob und eine leichte Verbeugung andeutete. Direkt danach allerdings ging er bereits die wenigen Schritte vor zu Viren und Viktoria, dabei stellte er sich in die Mitte und legte nun beide Arme um die Schultern der zwei. Immerhin gehörte es sich den Abschluss einer Vorstellung so zu krönen. Dabei grinste er nun breit, war wieder aus seine Rolle geschlüpft und irgendwo auch ein wenig erleichtert das es vorbei war. Aber nur, weil er bezweifelte noch länger in der Rolle bleiben zu können. Die Anwesenden klatschten, Viktorias Großvater hatte die kleine Szene ebenfalls verfolgt und warf nun seinen Hut auf den Boden welcher nun vor seiner Enkelin lag. Daraufhin begannen die anwesenden Stallburschen, Reiter, Gäste des Wirtshauses, Soldaten und zufällige Anwesende Münzen los zu werden, es waren nicht viele, aber für eine kleine, spontane Schauspielerei doch eine großzügige Ausbeute die noch gut unter ihnen aufgeteilt werden konnte.

Es mochte seltsam klingen, doch für ihn selbst fühlte sich der Moment unbeschreiblich an. Natürlich hatte er bereits öfter kleine Rollen übernommen, nicht viele und auch keine schwierigen Rollen, einfach weil er selbst merkte das er keine zwei Stunden am Stück schauspielern konnte. Aber allein die kleine Aufmerksamkeit zusammen mit den anderen beiden hatte sich großartig angefühlt. Den Umstand mit dem Eimer einmal vergessend. Er hoffte nur er hatte Virens kleine Herausforderung nicht enttäuschend beendet, in Sache Schauspielerei hatte er nicht annähernd die Selbstsicherheit und das Können wie bei anderen Tätigkeiten. Er würde behaupten das ihm die Jagd und das Bogen schießen perfekt lagen, und ohne sich in falscher Arroganz zu rühmen konnte er das auch von sich geben. Die künstlerische Freiheit die er und Lissi seit einem Jahr auslebten war auch etwas, das sie vorher in dieser Form nie gehabt hatten. In ihr Dorf hatte sich nie eine Schauspielergruppe verirrt, außerdem war die Art der Unterhaltung doch etwas verpönt gewesen. Selbst sein Vater hatte die Art der Unterhaltung und des Geld verdienens nicht gemocht. Jetzt war er einfach… glücklich, das war die Art von Spaß die er liebte. All das nur, weil er den Barden am Platz mit der sagenhaften Stimme angesprochen hatte. Sein Grinsen das über beide Backen ging zeigte wohl auch gut wie seine Stimmung gerade war.

Der Applaus erlahmte schließlich etwas, ihm fiel ein das er zum Abschluss kein Wort mehr gesagt hatte. Weshalb er begann sich zu räuspern. „Ich bitte erneut um Applaus für Viren und Viktoria, sie beide waren grandios.“ Rief er dann lachend aus, „Die Schauspielergruppe Tetetra freut sich über jeden aufmerksamen Zuhörer und begeisterten Zuschauer, wir treten noch einige Male auf und erhoffen uns eure Anwesenheit.“ Erneut kam nun der Beifall, welchen Viren und Viktoria nur verdient hatten.

In den Applaus hinein erhob sich nun auch Salvai aus seiner Position, begab sich zwischen das Mädchen und mich. Obwohl ich kommen sah was geschehen würde, konnte ich nicht verhindern, dass ich mich anspannte als der Braunhaarige seinen Arm um meine Schulter legte. Ich ließ ihn gewähren, wollte ich doch dem Ende unseres kleinen Auftritts keinen seltsamen Beigeschmack geben, weil ich seiner Berührung auswich. Erneut brandete Applaus auf als Salvai zum Abschluss noch einmal die Stimme erhob. Als wieder Ruhe einzukehren begann, löste ich mich von dem Braunhaarigen. Vielleicht etwas zu schnell, doch versuchte ich dies damit zu kaschieren mich nach den fallengelassenen Besen zu bücken. Während die Menge sich auflöste, kam Viktorias Großvater näher und hob seinen zu Boden geworfenen Hut wieder auf. Es klimperte durchaus hörbar darin, auch wenn die Ausbeute für diese spontane Nummer nicht sehr groß ausfallen würde. „Ich weiß zu schätzen, wenn Ihr meine Enkelin unterhaltet aber dies ist ein Stall und keine Bühne.“ Er klang weder aufgebracht noch rügend. Dennoch machte die Strenge in seiner Stimme deutlich, dass wir dies nicht wiederholen sollten. Die beiden Besen nacheinander an ihren Platz zurückstellend lächelte ich entschuldigend. „Ich werde nach Kräften versuchen Euren Worten Folge zu leisten, doch wenn die Kunst ruft ist es außerordentlich schwer ihr zu widerstehen.“ Ich zwinkerte Viktoria verschwörerisch und nur allzu sichtbar für alle Anwesenden zu, als würde sie nur sie dieses Gefühl verstehen.

Das Mädchen begann glockenhell zu lachen, was auch ihrem bisher ernst dreinblickenden Großvater ein Lächeln entlockte. Seufzend ließ er die Handvoll Münzen in die Hände der Blondine fallen ehe er sich den Hut wieder auf den Kopf setzte. „Ach, macht doch was ihr wollt.“ Geschauspielerte Resignation lag in seinen Worten ehe er sich mit einem Lächeln auf den Lippen daran machte den Stall zu verlassen um wohl an seine Arbeit zurück zu kehren. „Das war fantastisch!“, strahlte uns das Mädchen an. Nun war es an mir bei ihrem Enthusiasmus zu lachen. Salvai mit einem leicht spöttischen Lächeln bedenkend brachte ich die paar Schritte zu Ratinas Box erneut hinter mich, immerhin stand den Tieren noch etwas Aufmerksamkeit zu ehe der Braunhaarige sich wohl selbst etwas zu Essen suchen würde. „Zu Beginn war Euer Auftritt durchaus nicht zu verachten. Gewährt Ihr mir Erleuchtung darüber, was Euch derart aus dem Konzept gebracht hat, dass Ihr wehrlose Eimer tretet?“ Amüsement und Fröhlichkeit mit einem Hauch Neugierde lag in meiner Stimme während ich dem Braunhaarigen die Frage stellte, welche ich mir selbst nicht zu beantworten wusste. Ehe ich die Box erneut betrat schloss Viktoria zu mir auf und reichte mir kommentarlos aber mit einem gut gelaunten Lächeln einige der Münzen bevor sie sich an Salvai wandte um ihm vermutlich seinen Anteil zu überreichen.

Salvai
Es dauerte nicht lange bis sich die Zuschauer wieder aufgelöst hatten, ihm war nicht entgangen das Viren etwas verspannt wirkte und dieser sich dann auch wieder recht schnell von ihm löste. Nun auch den Arm von Viktorias Schultern nehmend grinste er das Mädchen noch kurz breit an, bevor er aufsah als die Stimme ihres Großvaters erklang. Allerdings brauchte er nicht viel dazu zu sagen, da man Virens Worten nicht mehr hinzuzufügen hatte. Als das Mädchen schließlich zu ihm trat, um ihm die Kreuzer in die Hand zu drücken, lehnte er ab. "Behaltet die Kreuzer, wenn Ihr ein Auge auf meine Pferde haben könntet wäre ich euch dankbar." Meinte dieser schließlich, die paar Kreuzer taten ihm nicht weh, es war sogar üblich den Arbeitern im Stall manches Mal eine kleine Geste zugute kommen zu lassen. Das bedeutete nicht nur das auf die Pferde acht gegeben wurde, sondern auch eine kleine Verpflegung dieser wenn er gerade nicht hier war. Sie nahm die Kreuzer wieder entgegen und schob sich diese in eine Seitentasche vom Rock. "Mit Vergnügen." Antwortete sie ihm schließlich mit einem breiten Lächeln, die blauen Augen funkelten dabei noch immer glücklich und begeistert. "Ihr habt wahrlich großartig gespielt, habt Ihr selbst einmal über eine Schauspielkarriere nachgedacht?" Erkundigte er sich schließlich, während er sich zurück zu Athers Stall begab.

Die Boxtür öffnend trat er wieder hinein, Ather schnaubte etwas und genehmigte sich weiter das Fressen. Aus einer Box entnahm er sich eine Bürste mit der er schließlich begann Ather noch zu bürsten, die Pflege hatte er sich immerhin verdient. "Ich mag die Schauspielerei, aber das Wirtshaus ist ein Familienbetrieb und so werde ich auch hierbleiben." Erklärte sie schließlich dem braunhaarigen, während sie zwei Äpfel für die beiden stattlichen Pferde holte. Diese verfütterte sie dann schließlich auch an die beiden, Ratina nahm den Apfel sanft entgegen, wohingegen Ather erst den Kopf zurückzog den Apfel aber schließlich doch zwischen die Zähne nahm. Grinsend sah Salvai ihr dabei zu, bevor seine Aufmerksamkeit dank Virens Frage wieder auf dem Barden lag. Seine Frage war berechtigt aber unerwartet, weshalb er erst einmal innerlich überlegte wie er am besten darauf antwortete. "Ich war zu sehr in Gedanken." Antwortete er schließlich, bevor er noch etwas näher darauf einging. "Ich überlegte was ich als nächstes sagen oder tun musste, gleichzeitig habe ich dann erst überhaupt bemerkt das wir Zuschauer hatten... ich würde von mir behaupten, schnell wieder aus der Rolle zu kommen." Versuchte er es dann verständlich zu erklären. Dabei errötete er leicht weil Viren den Beginn des Schauspiels wohl nicht schlecht gefunden hatte, das bedeutete ihm mehr als sich der schwarzhaarige vermutlich vorstellen konnte.

„Ihr habt durchaus Talent“, erwiderte ich auf Salvais Antwort während meine Hände über das Fell der Stute glitten, welche sich nicht weiter für mich interessierte, sondern ihre Aufmerksamkeit weiter dem Futter vor ihrer Nase schenkte. „Jedoch seid Ihr wohl der Gruppe an Menschen angehörig, welche eine Veranlagung dafür besitzt zu viel über die Dinge nachzudenken“, griff ich seine eigene Erklärung für seinen Fehltritt auf, jedoch ohne eine Wertung in meine Stimme zu legen. Es war eine Feststellung. Nicht mehr und nicht weniger. „Gleich welche Art von Kunst Ihr ausübt, wichtig ist sie zu fühlen. Denkt nicht darüber welche Verhaltensweise Eurer Rolle entspricht, werdet stattdessen der Charakter. Versetzt Euch in seine Gefühlswelt. Seine Werte und Moralvorstellungen werden zu den Euren. Sei…“ „Viktoria!“, unterbrach ein Ruf aus der Richtung in welche der Großvater der Gerufenen verschwunden war, meinen beginnenden Monolog, welcher mich ohnehin dazu verleitet hatte mit jedem Wort schneller und mit mehr Begeisterung zu sprechen. Die Blondine, welche sich an die Box gelehnt hatte, warf uns ein entschuldigendes Lächeln zu während sie sich bereits rückwärts entfernte. „Ihr entschuldigt mich. Die Arbeit ruft“, verabschiedete sie sich gut gelaunt und war bereits dabei sich abzuwenden als sie sich noch einem an Salvai wandte. „Ich werde mich gut um Eure Pferde kümmern“, versicherte sie ihm mit einem strahlenden Lächeln ehe sie sich gänzlich umdrehte und aus dem Stall lief.

Nicht sicher ob sie mein verabschiedendes Nicken noch wahrgenommen hatte, wandte ich mich wieder dem Braunhaarigen zu um fortzufahren. „In dem Moment in welchem ihr beginnt über Eure nächste Handlung nachzudenken, ist der Moment um zu handeln bereits vergangen“, setzte ich erneut an, nun jedoch wieder in angemessener Geschwindigkeit und Ruhe. „Ich sehe Potential in Euch. Niemand wird als Fachmann in seinem Handwerk geboren. Hinter jedem Meister liegen Stunden, Tage, Wochen, Monate … Jahre an Arbeit und Übung. Solltet ihr beschließen dem Schauspiel treu zu bleiben, werdet Ihr mit ausreichend Übungsstunden in der Lage sein dieses Potential zu entfalten.“ Die Stute schnaubte als wolle sie meinen Worten zustimmen, was mir ein kurzes Auflachen entlockte, mich zeitgleich auch daran erinnerte, dass Salvai davon berichtet hatte weit aus dem Süden zu kommen. „Ihr stammt aus dem Süden“, griff ich diesen Gedanken auf, wechselte damit das Thema. „Könnt Ihr mir etwas über die Geschehnisse dort berichten?“ Natürlich riefen auch die Marktschreier hier die größten Neuigkeiten von weiter entfernten Orten aus aber nur jemand, der besagte Gebiete wirklich durchreist hatte, kannte Details und weniger wichtig erscheinende Vorkommnisse, welche über ihre wahre Bedeutung hinwegzutäuschen vermochten.

Salvai
Während er auf eine Antwort von Viren wartete legte er schließlich die Bürste zur Seite, allerdings nur um sich schließlich einen Kratzer für die Hufe herzunehmen. Nach jedem längeren Ritt achtete er darauf, so wie sein Vater ihm es schließlich gelehrt hatte. Ein Pferd sowie Hunde waren treue Begleiter der Jagd, weshalb er sich im Umgang mit ihnen gut verstand. Daher ging er auch in die Hocke um den rechten Vorderhuf von Ather anzuheben und zu reinigen. In der Zeit konnte er Virens Worten lauschen. Er sprach ihm Talent zu weshalb er breit grinsen musste, noch besser fand er allerdings die nächsten Worte die davon zeugten, dass Viren sich um dieses kleines Schauspiel wirklich Gedanken machte. Er war erfahren und nicht nur ein guter Barde, sondern ein grandioser Schauspieler dazu. Es ehrte ihn einfach das Viren ihm versuchte näher zu bringen, wie er sein Schauspiel besser umsetzen konnte.

Als der erste Huf fertig war, sah er wieder auf. Dabei legte er seine leicht verschränkten Arme auf Athers breiten Rücken ab um nun zu Viren zu sehen. Er hatte es gar nicht nötig etwas zu sagen, besser gesagt kam er auch gar nicht dazu da Viren immer begeisterter und schneller sprach. Bis… Viktorias Großvater den Schwall unterbrach. Nach ihr wurde gerufen weshalb sie sich nun verabschiedete, er lächelte dankbar als sie erneut beteuerte auf die Pferde zu achten. Dann war sie bereits verschwunden. Nun lag seine erneute, ungeteilte Aufmerksamkeit auf Viren. „Ich nehme mir Eure Worte sehr zu Herzen. Ich bewundere die Art von Kunst und will mich dahingehend auch verbessern.“ Setzte er dann schließlich an. „Ihr müsst wissen, vor einem halben Jahr trafen meine Verlobte und ich zufällig auf Tetetra. Zuvor hatten wir mit Schauspielerei nichts zu tun, sie war zumindest musikalisch begabt im Gegensatz zu mir. Ich habe der Gruppe anfangs nur als Schutz gedient, da zu dem Zeitpunkt viele Räuber durch die Wälder gezogen sind. Aber ich muss gestehen, immer öfter versuche ich mich an Kleinigkeiten weil ich es mag. Wir üben auch meine Singstimme, auch wenn sie einen etwas tieferen Bariton hat.“Gestand er dann lachend, bevor er sich dann dem ersten Hinterhuf widmete. Es dauerte nicht lange bis dieser ausgekratzt war und er nun um das Pferd herum ging. „Wie lange seid ihr bereits Barde und Schauspieler?“ Erkundigte er sich, Viren wirkte zumindest so als wäre er bereits früh mit der Art Kunst aufgewachsen.

Er machte die Bürste etwas sauber, als Viren ihn mehr oder weniger auf seine Heimat ansprach. Inzwischen waren sie bereits mehrere Jahre gereist und unmittelbar keimte etwas Heimweh auf, bevor er das Gefühl wieder beiseite schob. Es gab viel über den Süden zu erzählen, dessen Winter hart und die Sommer so heiß geworden waren das die Ernte begann immer schlechter auszufallen. Als er Jünger war hatten sich die Jahreszeiten noch nicht derart stark ausgewirkt. „Im Moment herrschen dort viele Unruhen, das Volk ist unglücklich und am hungern weil die letzten vier Ernten aufgrund der Hitze besonders schlecht ausfielen. Aber es scheint als hätte jemand eine neue Technik zur Bewässerung der Felder entwickelt.“ Die er aber Viren nicht genauer erklären konnte, damit kannte er sich zu wenig aus. „Ein Drache soll gesichtet worden sein.“ Meinte er schließlich mit einem grinsen, es war nicht so das er an die Art von Wesen nicht glaubte, er hatte nur lediglich noch nie eines gesehen. Sein Vater allerdings war überzeugt davon gewesen einst fast von Elfen getötet worden zu sein und Kobolde gesehen zu haben, und das glaubte er ihm auch. Erneut bückte er sich um den nächsten Huf in Augenschein zu nehmen.

Ich gewann immer mehr den Eindruck, dass der Braunhaarige nicht nur herzensgut, sondern auch ein wenig naiv war. Er berichtete mir frei von sich und ließ mich ohne zu zögern sein Pferd handhaben, welche zwar vielleicht nicht aus einer angesehen Zucht stammte aber dennoch ein beachtliches Tier war und für die Schaustellertruppe wohl von enormem Wert. Und dabei kannte er mich weniger als 30 Minuten. Ob er mich vom Pferd geschossen hätte, wenn ich einfach in den Sattel gestiegen wäre und den Versuch unternommen hätte mitsamt der Stute zu verschwinden? Nichts dergleichen lag in meiner Absicht aber woher sollte Salvai dies wissen? Als er seine Verlobte erwähnte hielt ich einen Moment inne. Er war also vergeben. Noch dazu an eine Dame mit musikalischem Talent. Interessant. Ich würde die Frau wohl in Kürze kennenlernen, wenn Salvai noch immer die Absicht hegte mich vom einem privaten Auftritt zu überzeugen. Seine Aussage als Beschützer der Gruppe zu dienen unterstrich noch einmal meine Annahme, dass der Bogen auch wirklich der seinige war und nicht der eines Gefährten. „Es wird mir eine Ehre sein, die Dame Euer Wahl kennenzulernen“, erwiderte ich fröhlich während ich mich nun ebenfalls daran machte Bürste gegen Hufkratzer zu tauschen und mich den Pferdefüßen zu widmen.

„Die Leidenschaft für den Gesang begleitet mich seit meiner Geburt“, antwortete ich so wahrheitsgemäß wie möglich ohne dabei weitere Fragen aufzuwerfen. Die Schauspielerei war etwas das sich mehr oder weniger von selbst entwickelt hatte. In unseren Jahren unter den Menschen hatten wir uns anpassen müssen. Menschen änderten ihre Verhaltensweisen im Laufe der Zeit schneller als ihnen wohl selbst bewusst war. Was jedoch immer blieb war der Unterschied in den einzelnen Schichten der Gesellschaft. Es gab immer diejenigen welche sich für besser hielten und dachten über diejenigen, welche sie durch ihre tägliche harte Arbeit überhaupt mit Essen versorgten bestimmen zu können. Und die traurige Wahrheit war: Es funktionierte. Erst als Ratina sich bewegte wurde mir bewusst, dass ich angefangen hatte schweigend und bewegungslos meinen Gedanken nachzuhängen. „Die Schauspielerei scheint mir ebenfalls im Blut zu liegen. Unterricht oder etwas Vergleichbares wurde mir nie zuteil. Ich beobachte und imitierte. Zumindest zu Beginn. Wenn ich den Rollen nicht meinen eigenen Hauch verleihe, wirken sie … hölzern.“ Im Gegensatz zu unserer Begegnung am Brunnen lag nun keinerlei Arroganz mehr in meinen Worten. Salvai schien ohnehin bereits zu mir aufzublicken. Ich konnte mir nur schwer vorstellen in der Lage zu sein ihm ohne Magie noch mehr Respekt abzuringen.

Seine Berichte über den Süden klangen nicht unbedingt danach als wäre dieser einen Besuch wert. Andererseits würden Vitas und ich uns an Nahrungsknappheit kaum stören solange wir nicht über längeren Zeitraum gänzlich ohne Nahrung auskommen mussten. Und wir waren immerhin nicht hier um hübsche Städte mit glücklichen Bewohnern zu besuchen. Dennoch hoffte ich, dass Vitas eine Spur fand, welche nicht direkt in das Herz von Unglück und Hungersnot führte. Den Drachen hingegen würde ich zu gerne einmal mit eigenen Augen sehen. In unserer Heimat schwankten die Gerüchte über sie zwischen ausgestorben und einer Handvoll Überlebender. Nach Salvais Grinsen zu urteilen, schien dieser der Sichtung ebenfalls nicht viel Glaubwürdigkeit zuzuschreiben. „Ein Drache“, setzte ich sein Grinsen imitieren an während ich mich nach dem letzten Huf bückte. „Einerseits würde zu gerne einem dieser majestätischen Wesen begegnen. Andererseits hege ich die Absicht mein Leben noch länger fortzuführen. Ich kenne niemandem der einem Drachen begegnet ist und dessen Herz noch lange genug geschlagen hat um davon zu berichten. Schwierig. Schwierig.“ Den Huf wieder abstellend, klopfte ich Ratina einmal liebevoll gegen die Flanke. „Fertig, meine Schönheit. Jetzt strahlst du wieder heller als die Sonne.“

Salvai
Inzwischen widmete er sich Athers anderer Seite und hob nun den Vorderhuf um diesen zu säubern. Dabei hörte er Viren weiterhin zu, "Ich freue mich bereits Euch einander vorzustellen, falls Ihr heute Abend noch nichts vorhabt..." Er erhob sich, so das er wieder zu ihm hinüber sehen konnte. "...würde ich euch gerne zum Essen einladen, unsere Auftritte beginnen erst Morgen daher haben wir heute genügend Zeit um ein wenig zu entspannen." Er grinste breit, bevor er sich dann dem letzten Huf widmete, diesen hatte er dann ebenfalls schnell gereinigt. Die Putzsachen verräumend merkte er, dass Viren anscheinend ebenfalls soweit fertig war. Der schwarzhaarige erzählte schließlich ein wenig darüber das er wohl schon immer viel mit Gesang und Schauspielerei zu tun hatte, interessiert hörte er ihm zu. Durchaus lagen ihm noch einige Fragen auf der Zunge, aber gewiss hatte er später noch Zeit ein wenig tiefgründiger mit ihm zu reden. Es wurde nur langsam Zeit das er zurück zu seiner Gruppe ging, es würde ihn nicht wundern wenn sie sich wunderten wo er blieb.

"Ich kenne viele Sagen und Legenden die sich um Drachen ranken, es kann durchaus etwas an ihnen dran sein. Aber ich hatte noch nicht das Glück... oder das Pech so ein majestätisches Wesen zu sehen." Meinte er dann belustigt, "Ich bin bisher noch nichts übernatürlichem begegnet, aber ich glaube durchaus das es Wesen wie Elfen und Zwerge gibt. Mein Vater erzählte mir einst Begegnungen mit ihnen." Und er glaubte seinem Vater. Zwar war er einst einem Magier begegnet welcher Zaubertricks gezeigt hatte, ob diese allerdings echt waren oder nicht konnte er nicht sagen. Da er sich nun genug um Ather gekümmert hatte, ging er zu den Taschen um sich schließlich seinen Bogen und den Köcher umzulegen. Die Taschen selbst verstaute er in der zur Stall gehörenden Kiste gegenüber der Box. "Vielen Dank das Ihr euch so liebevoll um Ratina gekümmert habt." Antwortete er schließlich ehrlich, dabei trat er an die Box heran um seine Hand kurz auf ihre Nüstern zu legen. Sie wirkte entspannt und ausgeglichen, was für ihn ein gutes Zeichen war.

Während Salvai bereits die Pflegeutensilien des Stalles verstaute, löste ich mich mit einem letzten Streicheln über die Nüstern der Stute von ihr um meinerseits die geborgten Gegenstände an ihren Platz zu räumen ehe ich die Box wieder verließ. Gerade als die Boxentüre einrastete, erwähnte der Braunhaarige die Begegnungen seines Vaters. „An uns ist nichts übernatürlich!“, schnappte ich, ehe mein Verstand aufholen konnte um mir mitzuteilen, dass ich dies besser nicht laut ausgesprochen hätte. Es war nicht meine Schuld. Menschen nutzen dieses Wort gleichbedeutend mit ‚nicht menschlich‘. Nur weil ich kein Mensch war, bedeutet dies nicht ich un- oder übernatürlich war. Ich konnte dieses Wort nicht ausstehen. Seufzend blickte ich mich kurz um. Doch war außer dem Braunhaarigen niemand in Hörweite, weshalb ich mich wieder an ihn wandte. „Vergesst diesen und meinen letzten Satz.“ Die Magie in meiner Stimme sorgte dafür, dass Salvai sowohl meinen Aussetzer als auch den Befehl selbst sofort vergas. Für ihn war es als hätte ich diese beiden Sätze niemals ausgesprochen. Wie zu erwarten fuhr er deshalb mit seinen Handlungen fort als hätte ich nichts gesagt. Schweigend beobachtete ich wie er sich Bogen und Köcher umlegte ehe ich das Wort wieder ergriff.

„Solltet sich für Euch je die Gelegenheit bieten einem Drachen zu begegnen, würde er euch alleine dafür rösten ihn als ‚übernatürlich‘ zu bezeichnen. Elfen, Zwerge und Drachen sind ebenso natürliche Wesen wie Ihr und ich. Was sie von Euch unterscheidet ist die Tatsache, dass sie keine Menschen sind. Dies macht sie jedoch nicht … über- oder unnatürlich“, setzte ich dieses Mal ruhiger an, hatte ich doch nicht den Eindruck gewonnen, dass der Braunhaarige beabsichtigt hatte das Wort als Beleidigung zu gebrauchen. Als Salvai an die Box der Stute trat, machte ich einen Schritt zurück um ihm nicht im Weg zu stehen. „Es war mir ein Vergnügen für das Wohl Eurer Schönheit zu sorgen“, kommentierte ich seinen Dank mit einem ehrlichen Lächeln. „Und es wird mir ein Vergnügen sein sowohl Eure Verlobte als auch die anderen Mitglieder Tetetras kennenzulernen. Wenn Ihr mir mitteilt zu welcher Zeit und an welchem Ort, werde ich dort sein.“ Es machte den Anschein als würden sich unsere Wege für den Moment trennen, hatte er doch von einem Abendessen gesprochen und noch stand die Mittagssonne hoch am Himmel. Mit einem Grinsen in dem meine Neugierde lag, wies ich auf den Bogen des Braunhaarigen. „Eine Sache reizt mein Interesse für den Augenblick jedoch noch: Hättet Ihr mich von Ratinas Rücken geschossen, wenn ich den Versuch unternommen hätte auf dem Weg hierher mit ihr von Dannen zu reiten?“

Salvai
Er nahm die Hand von Ratinas Nüstern und sah dann aufmerksam zu Viren als er wieder das Wort ergriff, von seinem Aussetzer und der Anwendung seiner Magie merkte er rein garnichts. Der Erklärung des Begriffs übernatürlich zuhörend dachte er etwas darüber nach, er hätte nicht gedacht dass das Wort unpassend war - andererseits hatte Viren durchaus Recht, wenn die Wesen existierten gehörten sie ja einfach dazu. "Da habt Ihr Recht, da war meine Wortwahl unüberlegt." Räumte er dann schief grinsend ein. "Kurz vor Sonnenuntergang kann ich Euch hier abholen, im Moment weiß ich selbst noch nicht wo sich meine Gruppe genau aufhält. Deswegen sollte ich sie auch langsam suchen, nicht das sie sich noch Sorgen machen." Er trat nun etwas von den Ställen weg, allerdings nur um sich einmal Oberteil und Hose abzuklopfen, waren sie doch voller Pferdehaare und Stroh. "Ich freue mich bereits euch einander vorzustellen."

Viren setzte nun zu einer anderen Frage ein, welche ihn dann ebenfalls etwas grinsen lies. "Ohne zu zögern." Und das war ernst gemeint. Natürlich hatte er sich gut mit Viren unterhalten und fand ihn sympathisch, aber das tat nichts zur Sache sollte seine Freundlichkeit ausgenutzt werden. Es war schon öfter der Fall gewesen das sie sich mit Leuten verstanden hatten, die sich dann als Diebe oder Sonstiges entpuppten. Außerdem waren die Pferde begehrt, er hatte bereits öfter die Pferde mit seinen Pfeilen beschützt. "Vielleicht ergibt sich beim Theater eine Möglichkeit, meine Künste mit Pfeil und Bogen zu demonstrieren. Recht häufig bedienen wir uns vieler unterschiedlicher Stilmittel." Das wollte er sich bei Gelegenheit aufheben, denn was seine Schießkunst betraf war er sich dort genau so von sich selbst überzeugt wie es Viren beim Gesang und der Schauspielerei war.

Ich lachte auf als der Braunhaarige meine Frage selbstsicher und ohne zu Zögern beantwortete. Damit hatte ich um ehrlich zu sein nicht gerechnet. Freundlichkeit bedeutete nun einmal nicht immer Schwäche. Salvai wurde mir mit jedem Detail, welches ich über ihn erfuhr sympathischer. „Ich erwarte gespannt Eure Vorführung. Und insofern sich unter Euren Kameraden jemand mit … fortgeschrittenen Kenntnissen im Schwertkampf befindet revanchiere ich mich mit Vergnügen durch eine kleine Demonstration meinerseits. In der Handhabung von Pfeil und Bogen werde ich nicht in der Lage sein euch zu imponieren, fürchte ich. Ein Schwert weiß ich jedoch durchaus zu führen“, bot ich ihm an während ich begann den Weg hinaus aus dem Stall zurück zu gehen, welchen wir hierher hinter uns gebracht hatten.

Entgegen meiner Worte bestand durchaus die Möglichkeit, dass dies unsere erste und letzte Begegnung war. Ich wusste nicht wann Vitas zurück sein würde und wie schnell er dann darauf bestand, dass wir weiterreisten. Es wäre eine Schande den Braunhaarigen nicht wieder zu sehen. Er hatte sich innerhalb kurzer Zeit als interessanter Charakter herausgestellt. Dennoch würde ich keine Diskussion mit Vitas beginnen, wenn dieser abreisen wollte. „Insofern Ihr mich bei Sonnenuntergang nicht hier antrefft, wartet nicht auf mich“, setzte ich an. Ich konnte ihm immerhin die Zeit ersparen sinnlos auf mich zu warten. „Es liegt im Ermessen meines … Begleiters, wann wir die Stadt wieder verlassen werden. Unter Umständen befinde ich mich heute Abend also bereits wieder auf Reisen. In diesem Fall wünsche ich euch schon jetzt erfolgreiche Auftritte.“ Auch dies war ein Punkt, den ich ungern verpassen würde. Salvai hatte derart überzeugt von seiner Gruppe gesprochen, dass ich mich nur zu gerne selbst sowohl von deren Charakteren als auch ihren Fähigkeiten auf der Bühne überzeugt hätte. Doch gab es wichtigeres zu erledigen als sich die Auftritte von Schaustellern anzusehen.