Salvai
Als sein Gegenüber sich als Viren vorstellte, musste er ihm lassen das sein Name ebenfalls ziemlich ausergewöhnlich klang. Zumindest hatte er diesen noch nie gehört. Die Hand dann kräftig, aber nicht zu kräftig schüttelnd lies er diese dann wieder los, als Viren sich nun den Pferden zuwandte. "Käme mir doch nicht in den Sinn." Konnte er nicht anders als belustigt darauf einzugehen, dabei trat er schließlich ebenfalls einige Schritte näher zu den Pferden. Sie waren sehr gehorsam, allerdings nur weil er damals gelernt hatte wie man Pferde zähmte, sein Vater hatte für die Jagd ein Reittier gebraucht und ein Wildpferd gefangen. Er erinnerte sich noch gut an die Lehrstunden seines Vaters, fast schon wurde er traurig als er darüber nachdachte. Es war mittlerweile schon einige Jahre her als er von einer Krankheit dahingerafft worden war, aber alles was er von ihm erlernt hatte würde er niemals vergessen.

Die Stute hatten sie von Räubern, welche sie überfallen hatten und daran gescheitert waren. Der Hengst selbst gehörte Lissie, sie gehörte schließlich zum Adel und hatte von einem Verbündeten das Tier erhalten nachdem ihre Heimat zerstört worden war. Die meisten mutmaßten natürlich das er gestohlen worden war, immerhin war es selten dass das normale Volk ein so edles Tier besaß. Interessiert beobachtete er Viren, wie dieser mit den Tieren sprach und schließlich auch über die Nüstern der Stute streichelte. Diese rieb schließlich leicht den Kopf gegen Virens Schulter und schien offensichtlich sehr angetan von ihm zu sein, allgemein war sie allerdings ein sehr zutrauliches Tier. Der Hengst hingegen stapfte nur einmal auf, schnaubte und legte die Ohren etwas an. Die Zeichen entgingen ihm natürlich nicht, weshalb er an Virens Seite trat und seine Hand auf den kräftigen Hals des braunen Pferdes verharren lies. Sein Angebot hörend dachte er kurz darüber nach, das war eine gute Möglichkeit noch etwas mehr mit dem Barden zu reden und die Arbeit schneller zu verrichten. Die Antwort darauf war also ziemlich klar. "Ich würde mich über Hilfe freuen." Stimmte er schließlich grinsend zu, es war immerhin zeitaufwendig sich um Tiere zu kümmern. Meistens rieb er die Pferde nach einem langen Ritt wie diesen mit einem Tuch ab, bevor mit einer Bürste das noch immer bestehende Winterfell entfernte und mit der stumpfen Seite des Messers die Hufe säuberte. Und da er die Aufgabe immer erledigte, hatte er ein Händchen dafür. "Sein Name lautet Ather," fügte er dann als kleine Information mit an, dabei musterte er das Tier, bevor er zu Viren und der Stute sah. "Die Dame heißt Ratina." Die Stute gehörte Maestro und war neben seiner Familie mit das wichtigste was er besaß, er war regelrecht verliebt in das schöne Tier.

Als die Stute meine Worte unterstich indem sie ihren Kopf gegen meine Schulter rieb, lachte ich fröhlich auf, was zur Folge hatte, dass sich mehrere Leute in unsere Nähe in meine Richtung wandten. Ich ignorierte sie, lenkte meine Aufmerksamkeit stattdessen auf die weiße Schönheit. „Es macht den Anschein als würdest du noch mehr Zeit mit mir verbringen“, kommentierte ich Salvais Annahme meiner Hilfe. Eine Hand auf die rechte und die andere auf die linke Seite ihres Kopfes legend kraulte ich Ratina während ich weiter mit ihr sprach. „Und da dein missmutiger Freund nicht viel von meiner Nähe zu halten scheint, wirst du ganz alleine meine volle Aufmerksamkeit genießen dürfen.“ Kurz huschte mein Blick zu dem Braunen. Die angelegten Ohren und Salvais Beruhigung waren mir nicht entgangen aber in meinem Ton schwang nur Belustigung. Der Stute noch einmal über die Stirn streichend zog ich die Hände zurück, löste ihre Zügel von dem Holzpfosten um welchen sie geschlungen waren.

„Von unserer Seite aus können wir können los. Nicht wahr, meine Königin?“, wandte ich mich voller Tatendrang erst an Salvai ehe ich die Frage noch einmal an das Tier richtete. Auf unseren Reisen hatten Vitas und ich viel Zeit auf dem Rücken von Pferden verbracht. Ich sah mich durchaus in der Lage mehr als angemessen für die Stute zu sorgen, war mir aber bewusst, dass Salvai vermutlich jeden meiner Handgriffe im Blick behalten würde. Verständlich. Wer würde auch einem Fremden blind sein Pferd anvertrauen? „Ist dies Euer erster Aufenthalt in dieser Stadt? Oder seid ihr in der Lage mir mehr über diesen Ort zu berichten?“, führte ich nun das Gespräch mit dem Braunhaarigen fort. Nun gut, das eine musste das andere nicht zwingend ausschließen. Er konnte auch mehr über die Stadt wissen ohne jemals hier gewesen zu sein aber ich nahm an, dass er verstand worauf ich hinauswollte. „Gibt es Orte, deren Besuch man sich nicht entgehen lassen darf? Geheime Orte, deren Existenz nur wenigen bekannt ist?“ Mit der letzten Frage senkte ich meine Stimme verschwörerisch. Dennoch war sie noch verständlich genug, damit der Unterton darin, welche unmissverständlich aussagte, dass ich nach Unterhaltung suchte, deutlich hörbar mitschwang.

Salvai
Während seine Hand auf dem Hals von Ather ruhte, beobachtete er Viren wie dieser mit dem Tier umging. Sie genoss die Streicheleinheiten welcher der Schwarzhaarige ihr gab, die Stute lehnte sich stark gegen Viren und schien ihm regelrecht zugetan zu sein. Auch er löste nun die Zügel vom Holzpfosten und hielt diese etwas fester in der Hand, da Ather immer noch nicht sonderlich begeistert wirkte. "Sie scheint Euch zu mögen." Kommentierte er dann mit einem leichten Grinsen. Auffällig war das Ratina lediglich nur einen Sattel mit Halfter trug. Ather hingegen besaß zwei Reisetaschen links und rechts am Sattel befestigt, neben seinem großen Holzbogen und einen Köcher voll mit Pfeilen, die erst jetzt durch die Bewegung des Hengstes sichtbar wurden.

Viren schien bereit, weshalb Salvai sich nun in Bewegung setzte und mit dem braunen Tier wenige Schritte voraus ging. Er hatte bereits bei der Ankunft sich für eine Taverne entschieden die augenscheinlich Ställe hatte und darauf hielt er auch zu. "Wir sind das erste Mal in dieser Gegend, meine Begleiter und ich stammen sehr weit aus dem Süden." Setzte er dann zu einer Erklärung an, allerdings konnte er ihm durchaus etwas über andere Orte erzählen. Während er das Pferd geschickt an einigen Menschen vorbei manövrierte behielt er Viren natürlich im Blick, es war nicht so das er ihm nicht traute - denn bisher machte der schwarzhaarige Barde einen guten Eindruck - aber es war Maestros Pferd und ein wunderschönes noch dazu. An Pferdediebe gerieten sie öfter als ihm lieb war. "Die Hauptstadt von Leta würde ich Euch Nahe legen, falls Ihr sie noch nicht besucht habt. Durch Hochwasser und schwierige Bedingungen ist die Bevölkerung dort nur umso glücklicher sich ablenken können, sei es Musik oder Schauspiel. Der König selbst liebt wandernde Gruppen und entlohnt reichlich." Eigentlich wollte er noch weitere Orte erwähnen, wo man auf Profit hoffen konnte. Da er aber geheime und besondere Orte wissen wollte, konnte er ihm dort natürlich auch etwas dazu sagen. "Die Kaskadengebirge sind wunderschön, sie sind allerdings sieben Morgenaufgänge entfernt von hier und die Gebirge selbst zu erklimmen ist nicht einfach. Es gibt allerdings durchaus Pfade die ermöglichen das Gebiet zu durchqueren, ein sehr kleines Dorf liegt weit oben und erinnert fast schon an ein Paradies..."

Er war regelrecht in einem Redefluss gefangen, bis ein kleiner Junge abrupt gegen die breite Brust des Pferdes lief und sich damit auf den Hintern setzte. Ather erschreckte sich offensichtlich, wieherte und warf den Kopf zurück. Zum Glück bäumte sich dieser zwar nicht auf, allerdings war es Salvai schneller Reaktion zu verdanken das der Junge nicht doch noch unter die schweren Hufe gekommen wäre. Er hatte das Kind am Kragen gepackt und grob weggezogen damit es außer Reichweite der Hufe war, kaum hatte sich der Hengst beruhigt und das Kind sich aufgerappelt kam noch ein etwas beleibter Händler welcher wohl das Kind verfolgt hatte. Ein kurzer Blick auf das Brot in den Händen des Kindes klärte ziemlich schnell auf das Ather wohl einen Diebstahl vereitelt hatte, der Mann schien ziemlich erleichtert, doch war der Kopf desjenigen feuerrot vor Wut. "Ich bin so froh das es hier noch anständige Leute gibt! Ihr habt den kleinen Dieb gefasst, dem werde ich endlich die kleine, flinke Hand abschneiden..." Natürlich machte man grundsätzlich mit Dieben kurzen Prozess, egal wie alt sie waren. Aber das bedeutete natürlich nicht das der braunhaarige das für sonderlich gut hieß, das Kind lies er schließlich stumm los, was allerdings nur damit endete das es sich hinter ihm versteckte und seine Hände in das gelbe Hemd von Salvai krallte. Innerlich seufzte er, allein wegen der Geste war es klar das er den Jungen jetzt nicht ausliefern würde. Vor allem weil er doch den Hunger kannte, der einen dazu treiben konnte.

Als Salvai sich mit dem Hengst in Bewegung setzte, ermöglichte dieser mir einen Blick auf die bisher von mir abgewandte Seite des Sattels an welcher sowohl ein Bogen als auch ein Köcher voller Pfeile befestigt waren. Ein Bogenschütze. Das erklärte den muskulösen Oberkörper des Braunhaarigen. Natürlich könnte die Ausrüstung auch einem seiner Begleiter gehören, was ich jedoch für eher unwahrscheinlich hielt. Ratina folgte gehorsam meiner Führung während Ather noch immer einen unruhigen Eindruck auf mich machte. Vielleicht mochte er grundsätzlich keine Menschenmengen. Nicht unbedingt praktisch für ein Tier einer Schaustellertruppe. Andererseits war kein Pferd perfekt. Die Stute hatte mit Sicherheit auch ihre Eigenheiten, welche nur nicht auf den ersten Blick erkennbar waren. Bei diesem Gedanken tätschelte ich ihr noch einmal den Hals während wir weiter den beiden Herren folgten. Ich achtete darauf, dass sich der Beutel mit dem Geld zwischen mir und Ratina befand. Das war kein Schutz gegen Diebstahl aber immerhin lud es weniger dazu ein mich seitlich anzurempeln um dabei den Beutel mitgehen zu lassen.

Auch wenn Salvai diese Gegend nicht zu kennen schien, war er im Süden offenbar herumgekommen. Die Hauptstadt von Leta klang durchaus einen Besuch wert. Nach allem was wir bisher gehört hatten, war Magie hier bekannt, jedoch gab es wohl nur sehr wenige welcher sich ihrer zu bedienen verstanden. In der Regel waren dies Magier an Königshöfen, nach allem was Vitas in Erfahrung bringen konnte. Wenn der König dort Künstlern grundsätzlich aufgeschlossen gegenüberstand, würde es nicht auffallen, sollten Vitas und ich uns dort einschleichen. Ehe ich jedoch weitere Fragen zu Leta stellen konnte, berichtete Salvai bereits von den Kaskadengebirgen. Er klang so begeistert, dass ich für den Moment mit einem belustigen Lächeln darauf verzichtete ihn zu unterbrechen. Ein Paradies also. Ob ich Vitas davon überzeugen konnte, es uns anzusehen? Solange dort keine zu starken Winde herrschten würde der Aufstieg kein Problem darstellen. Und selbst wenn, dann würden wir uns eben an die erwähnten Wege halten müssen.

Plötzlich hielt Ather an, warf wiehernd den Kopf zurück, unterbrach damit den Redefluss des Braunhaarigen. Da ich seitlich ein Stück kleines hinter den beiden ging, verdeckte mir der Hengst selbst die Sicht auf das was eben geschehen war, doch sah ich wie Salvais Hand mit beachtlicher Geschwindigkeit nach vorne schnellte und mit dem Kragen eines Jungen zwischen den Fingern wieder in mein Sichtfeld kam. Ratina drehte den Kopf in Richtung des Geschehens blieb ansonsten aber ruhig während ich gut zwei Schritte hinter Salvai zum Stehen kam. Ein korpulenter Mann kam mit raschen Schritten bei uns an, das Gesicht rot angelaufen. Ob dies nun der Anstrengung des Laufens oder dem Ärger über den scheinbaren Diebstahl geschuldet war, erschloss sich mir nicht. Vermutlich eine Mischung aus beiden. Wenn er seinen Stand im Eifer des Gefechtes unbewacht zurückgelassen hatte, würde er bei seiner Rückkehr wohl einen Herzanfall bekommen, sollten seine restlichen Waren verschwunden sein. Es war offensichtlich, dass er erwartet sowohl das Stück Brot als auch das Kind, welches hinter dem Braunhaarigen Schutz suchte, ausgehändigt zu bekommen. Ich könnte die Situation mit einem einzigen Satz auflösen. Zum Wohle des Händels oder zum Wohle des Kindes. Je nachdem wie mir der Sinn stand. Doch ich schwieg. Für den Moment. Wollte ich doch sehen, wie Salvai gedachte die Lage zu handhaben.

Salvai
Seine Hand lag weiterhin beruhigend auf dem Hals von Ather, dieser hatte sich tatsächlich recht schnell beruhigt. Beäugte allerdings die gesamte Situation mit einem unnachgiebigen und eindringlichen Blick und mit leicht angelegten Ohren. Nur kurz warf der braunhaarige einen Blick nach hinten zu Viren welcher nichts mehr gesagt hatte, bevor er wieder zu dem aufgebrausten Händler blickte. Dieser trat nun nah an Salvai heran, allerdings nur um das Kind hinter ihm mit seinen großen Händen packen zu wollen. Bevor das allerdings geschehen konnte, ergriff Salvai das Handgelenk des Mannes und hielt es nicht sonderlich feinfühlig fest. "Wie viel kostet Euch ein Laib Brot?" Erkundigte er sich schließlich einfach ruhig, dabei machte wohl sein Blick deutlich das er nicht vorhatte ihm das Kind jetzt zu überreichen.

Er hatte auf seinen Reisen bisher vieles gesehen, einiges das gegen seine Prinzipien waren und viel zu vieles das er auch gar nicht verhindern konnte. Der Jäger hatte durch seinen Vater gelernt zu helfen, wenn Hilfe benötigt wurde und zu verteidigen, wenn es darauf ankam. Eigentlich hatte er sich recht häufig anhören können wie naiv oder dumm er manchmal war, wenn er sich in irgendwelche Situationen einmischte die mit ihm prinzipiell nichts zutun hatten. Aber so war er einfach, schon immer. Sei es jemand aus seinem alten Heimatdorf der Mädchen belästigte oder einer der Tiere misshandelte, in solchen Angelegenheiten mischte er sich grundsätzlich ein wenn er davon Wind bekam. Der Überfall auf ihr Dorf und den Fürsten hatte ihn natürlich geprägt. Auf ihren Reisen danach waren sie bereits auf viele andere Banditen und Räuber gestoßen oder das was sie hinterlassen hatten, daher war es nicht selten das er dort kurzen Prozess machte.

Ich fing Salvais Blick auf als er zu mir sah, achtete aber darauf, dass meine Miene nicht verriet was ich von der Situation hielt. Doch so schnell die Aufmerksamkeit des Braunhaarigen zu mir glitt, so schnell kehrte sie auch wieder zu dem kahlköpfigen Mann zurück, welcher es scheinbar leid war auf eine Reaktion unsererseits zu warten und nun selbst nach dem Jungen griff. Oder es zumindest versuchte. Salvais Finger legten sich um sein Handgelenk. Die Entschlossenheit in seiner Stimme sagte wohl nicht nur mir, dass er nicht beabsichtigte den Jungen an den Händler zu übergeben, was zur Folge hatte, dass dessen Gesicht einen noch dunkleren Rotton annahm. „Ihr stellt Euch also auf die Seite dieses Diebes?“ Seine Freude darüber, dass Ather die Flucht vereitelt hatte schlug in Wut über Salvais Verhalten um und er zog mit einem Ruck sein Handgelenk aus dem Griff des Braunhaarigen. Dem Mann ging es scheinbar weniger um den materiellen Wert der gestohlenen Ware als mehr um den Akt selbst. Wenn sich herumsprach, dass bei ihm straflos gestohlen werden konnte würde dies gelinge gesagt keine positiven Folgen für sein Geschäft nach sich ziehen. „Ich werde da…“

Als der Kahlköpfige erneut ansetzte, fiel ich ihm ins Wort. Verhältnismäßig leise und mit einem beruhigenden Unterton während ich neben Salvai trat. Ich hatte genug gehört und konnte darauf verzichten, dass diese Auseinandersetzung die Aufmerksamkeit der Wachen auf sich lenkte. „Euch wurde eine Frage gestellt, mein Herr.“ Magie schwang in den Worten. „Vier Kreuzer.“ Seine Antwort war mehr geknurrt als gesprochen und er holte bereits Luft um erneut anzusetzen, doch gab ich ihm keine Gelegenheit dafür. Während ich weitersprach glitt meine Hand in den Beutel und förderte die genannte Summe zu Tage. „Damit ist der materielle Schaden beglichen. Ich schlage vor Ihr verschwendet nicht noch mehr Eurer wertvollen Zeit mit einem niederen Dieb und kehrt stattdessen zu Euren restlichen Waren zurück. Seid versichert, dass wir ihm eine angebrachte Behandlung zukommen lassen werden.“ Der Händler lies zu, dass ich ihm die Münzen in die Hand legte. Sein Blick huschte noch einmal zwischen uns hin und her, doch hatte ihn meine Macht bereits davon überzeugt meinen Worten Folge zu leisten. „Na gut. Ihr scheint ja doch ganz anständige Leute zu sein. Mein harscher Ton von eben tut mir leid aber ich dachte für einen Moment, dass Ihr mit dem Kleinen unter einer Decke steckt. Nichts für ungut.“ Sein Gemüt beruhigte sich. „Ich wünsche noch einen erfolgreichen Tag“, verabschiedete ich ihn mit einem freundlichen Lächeln und einem knappen Nicken, gab ihm damit zu verstehen, dass ich ihm seine Worte nicht übelnahm.„Ebenso.“ Mein Nicken imitierend wandte er sich von uns ab und verschwand wieder in der Menschenmenge.

Ich lachte kurz amüsiert auf als ich mich Salvai und dem Jungen zuwandte, welcher sich noch immer in das gelbe Hemd krallte. Große Kinderaugen blickten erschrocken zu mir auf, schienen sie doch zu erwarten, dass es nun an mir war die Strafe zu vollstrecken. „Ihr habt nicht einen Moment gezögert. Ich mag Eure Entschlossenheit“, richtete ich erst das Wort vergnügt an Salvai ehe ich mich dem Jungen zuwandte. Er war unterernährt, drückte das Brot an seine Brust als würde sein Leben davon abhängen, was durchaus der Fall sein konnte. Wer wusste schon wann er das letzte Mal etwas zu essen bekommen hatte. Doch versuchte er nicht einmal zu fliehen. Hatte er sich seinem Schicksal ergeben oder würde er anfangen sich zu wehren, sollte ich tatsächlich nach ihm greifen? So gerne ich Dinge ausprobierte, dies war etwas das ich nie in Erfahrung bringen würde. Mit einem sanften Lächeln erhob ich erneut die Stimme. „Es gibt keinen Grund uns zu fürchten. Wir werden dir kein Leid zufügen. Ich sah mich nur gezwungen, etwas zu sagen, das den Mann zu überzeugen vermochte.“ Ich zwinkerte dem Jungen zu um ihm zu verstehen zu geben, dass ich den Händler angelogen hatte. Diese Mal lag keine Magie in meiner Aussage. Es lag im Ermessen des Kindes mir seinen Glauben zu schenken oder nun doch die Beine in die Hand zu nehmen und zu verschwinden.

Salvai
Der braunhaarige hatte etwas erwiedern wollen, ihm war nicht entgangen das der Händler sich nicht damit zufrieden geben wollte und sein Gesicht vor Wut noch roter war als zuvor schon. Dieser zog seine Hand recht schnell zurück und rieb sich diese leicht, sie ganz einfach loslassend stand er weiterhin wie angewurzelt da. Anders konnte er so oder so nicht reagieren, weil sich das Kind noch immer festhielt und Viren schließlich das Wort ergriff. Es war leise, aber eindringlich genug damit der Mann auf seine Frage antwortete, Viren stand schließlich neben ihm und es war... einfach beeindruckend. Ihm war es innerhalb Sekunden gelungen den Mann augenscheinlich zu beruhigen, er brachte ihn sogar dazu sich zu entschuldigen.

Währe Salvai alleine gewesen, wäre die Situation mit Sicherheit anders ausgegangen. Davon war er ehrlich gesagt ziemlich überzeugt, der schwarzhaarige hatte das Gespräch sehr schnell zu seinem Gunsten gewandelt und sogar selbst die vier Kreuzer ausgelegt. Er war nicht nur beeindruckt, sondern gelinde gesagt sogar sprachlos. Daher sagte er auch nichts als der Händler wieder ziemlich schnell umkehrte, sich schließlich zu Viren drehend musste er dann breit grinsen. "Und ich mag Eure Redegewandheit, Ihr habt die Situation regelrecht entschärft und das innerhalb weniger Sekunden. Das ist beeindruckend." Sprach er dann einfach ehrlich aus, die Situation eben hatte nicht einmal Schaulustige auf sich gezogen wie das normalerweise der Fall wäre. Die Menschen strömten an ihnen vorbei wie immer. Viren dabei zusehend wie er lächelte und dann die nächsten Worte an das Kind richtete drehte er sich leicht, um hinter sich zu dem Jungen blicken zu können. Er sprach nichts, zitterte nur leicht und drückte das Laib Brot stark an sich. Erst als Viren geendet hatte und wenige Sekunden verstrichen waren, bewegte er seine Hand um zwei Stücke vom Brot abzubrechen. Sie waren nicht groß, aber so groß das es die Hand des Jungen füllte. Dann drückte er auch schon Salvai und Viren jeweils das kleine Stück in die Hände, bevor er dann noch immer schweigend weglief.

Ob das Kind sprechen konnte oder nicht war unklar, klar war aber die große Geste die er ihnen erwiesen hatte. Natürlich hatten sie ihn beschützt, aber vom Essen etwas abzugeben das man so sehr benötigte zeugte von einer guten Seele. Salvai war deswegen nicht wenig gerührt, als er das Stück Brot in seiner Hand musterte. Es war wohl frisch gebacken worden, denn es strahlte noch eine leichte Wärme aus. Das Kind war sehr schnell in der Menge verschwunden, war es doch unscheinbar und klein genug um nicht weiter aufzufallen. "Danke." Wandte er sich schließlich erneut an Viren, die Art der Einmischung und die Großzügigkeit es selbst zu zahlen war nicht selbstverständlich. Mit Sicherheit fand er aber noch eine Gelegenheit sich ordentlich zu revanchieren.

So angespannt Salvai noch eben erschienen war, nachdem der Händler verschwunden war wandte er sich mit einem breiten Grinsen an mich. In seinen Worten schwang aufrichtige Bewunderung. Er hatte gesehen wie ich einen gesamten Marktplatz zum Verstummen brachte aber ich gewann den Eindruck, dass ihn die Situation eben noch mehr faszinierte. Ich genoss seine ehrliche Anerkennung, kommentierte sie allerdings erst einmal nicht. Stattdessen lag der Großteil meiner Aufmerksamkeit auf dem Jungen in welchen nun doch Bewegung kam. Mein Blick folgte ihm schließlich bis er in der Menge verschwunden war. Salvais Dank durchbrach die Stille, welche begann sich zwischen uns auszubreiten und obwohl er sich mir zugewandt hatte war ich mir nicht gänzlich sicher ob die Dankbarkeit nicht auch an den Jungen gerichtet war. Die Handlung des Kleinen schien den Braunhaarigen zu berühren. Auch ich war mir der Schwere dieser Geste durchaus bewusst, doch hatte ich in meinem Leben zu viel gesehen um mich von ihr auf emotionaler Ebene berühren zu lassen. Dennoch gedachte ich sie angemessen wertzuschätzen.

Ich brach das ohnehin doch sehr kleine Stück Brot in meiner Hand noch einmal in zwei Hälften. Eines davon nahm ich ohne Umschweife in den Mund. Es war noch warum und ich hatte nicht vor die Restwärme verschwinden zu lassen. Nicht das beste Brot, welches ich je gegessen hatte aber durchaus schmackhaft und vor allem fluffig. Zufrieden kauend hielt ich Ratina das zweite Stück entgegen. Noch während ich selbst schluckte verschwand es zwischen den Lippen der Stute. „Genieß es, meine Hübsche. Mehr Dankbarkeit wirst du in keiner Geste je wiederfinden“, forderte ich den Schimmel auf ehe ich mich erneut an Salvai wandte. Der Blick, welcher mir aus seinen goldgeben Augen begegnete war ehrlicher als alles was ich in den letzten Jahrzehnten oder sogar mehr gesehen hatte. Ob er noch so fasziniert sein würde, wenn er wüsste, dass ich Magie verwendet hatte um die Situation aufzulösen? Würde er mich, wie die meisten Menschen brennen sehen wollen, wenn ihm bewusst wäre, was ich bin? Ich schüttelte einmal scharf den Kopf um diese Gedanken zu vertreiben. Es war egal. Er würde weder das eine noch das andere je erfahren. Einmal davon abgesehen, dass sich unsere Wege in Kürze wieder trennen würden. „Sobald Ihr Euch sattgesehen habt, können wir den Weg gerne fortsetzen“, neckte ich ihn mit spielerischem Unterton, drehte mich dabei jedoch weiter in seine Richtung um ihm einen besseren Blick auf mein Gesicht und meine Brust zu bieten, welche nur von dem knapp zur Hälfte geschlossenen Hemd bedeckt war.

Salvai
Ather hatte sich wieder beruhigt, lediglich sein Schweif peitschte etwas das man allerdings auf die Fliegen zurückführen konnte. Als Viren sein Stück Brot erneut brach, um Ratina das kleine Stück anzubieten war eine weitere Geste die er sehr wertschätzte. Auch er teilte seinen Anteil schließlich mit Ather, dem er ein abgebrochenes Stück Brot unter die Nüstern hielt. In der Zeit nahm er seinen Teil in den Mund, es war schnell gekaut und geschluckt.

Gerade als er sich wieder in Bewegung setzen wollte vernahm er Virens Worte, er musste deswegen sogar etwas lachen. Natürlich bekam er mit wie er sich wieder gänzlich zu ihm drehte, damit er eine gute Sicht auf ihn erhielt. Der schwarzhaarige sah wirklich nicht schlecht aus, wäre er eine Frau hätte er sich vermutlich längst verliebt. "Entschuldigt meine Blicke. Sie sind mir hoffentlich verziehen." Meinte er schließlich nicht weniger schelmisch, dabei setzte er Ather nun wieder in Bewegung. Grinsend wieder nach vorne sehend bannte er sich mit dem Pferd schließlich erneut einen Weg durch die Menge. Die anderen würden sich mit Sicherheit bereits fragen wo er blieb, aber er hatte nicht vor sich zu beeilen. Dafür genoss er das hier zu sehr, und andererseits durfte man sich beim Pflegen der Pferde so oder so nicht hetzen lassen.

Die Taverne auf die er zuging kam auch bald schon in Sicht, es war ein großes Holzgebäude mit alten, rissigen Balken. Einige Pferde und ihre Reiter standen bei zwei Trögen, zwei Kutschen wurden gerade beladen, hier war einiges los. Angrenzend befanden sich einige Ställe, er konnte von hier aus zumindest sehen das einige noch frei zu sein schienen. Sich umsehend entdeckte er auch ziemlich bald einen etwas älteren Mann welcher gerade einen Schubkarren mit Pferdemist nach draußen schob. Salvai trat unverblümt auf ihn zu, "Ich grüße Euch, habt Ihr noch zwei Ställe frei für drei Nächte?" Es war üblich solche Angelegenheiten mit dem Stallmeister zu klären, immerhin hatten die Gastwirte selbst anderes zutun. Der Mann mit Vollbart und stark gebräunter Haut nahm seinen Hut vom Kopf nachdem er den Mistschubkarren abgestellt hatte, dabei musterte er die beiden Herren vor sich. "Natürlich meine Herren, für insgesamt 30 Kreuzer."

Salvai hatte verstanden, dass ich ihn nur auf den Arm hatte nehmen wollen, das sagte mir seine Reaktion auf meine Worte mehr als deutlich. Deshalb grinste ich auch nur und ersparte mir eine verbale Antwort auf seine Entschuldigung. Ratina folgte gehorsam als wir uns wieder in Bewegung setzten, dem Braunhaarigen hinterher, welcher zielstrebig eine bestimmte Richtung einschlug. Schon bald kam ein beachtliches Holzgebäude in Sicht an welchem reger Betrieb herrschte. Kurz glitt Salvais Blick suchend über die Anwesenden ehe er scheinbar gefunden hatte wonach er suchte. Ein älterer Mann mit Vollbart, welcher uns auch ohne Umschweife den Preis nannte. „30 Kreuzer“, mischte ich mich in das Gespräch ein ehe der Braunhaarige die Chance hatte zuzusagen oder selbst zu verhandeln. „Habt ein Herz für arme Schausteller, mein Herr. 10 Kreuzer je Pferd“, hielt ich erst einmal mit einem bittenden Lächeln dagegen.

„Schausteller!“, erklang begeistert eine glockenhelle Stimme hinter uns ehe auch schon mit raschen Schritten ein vielleicht 16-jähriges Mädchen an uns vorbeilief. Es hielt neben dem alten Mann an, musterte sowohl Salvai und mich als auch die beiden Pferde. Ihre blonden Haare waren zu einem Zopf über die linke Schulter nach vorne geflochten und in ihren himmelblauen Augen funkelte Intelligenz. „Für Künstler ist hier immer ein bezahlbarer Platz frei. Nicht wahr, Großvater?“ Während der erste Satz noch an uns gerichtet war, wandte sie sich mit der Frage und großen Hundeaugen an den Mann. Dieser versuchte nicht einmal dagegenzuhalten. Mit einem geschauspielerten, resignierten Seufzen ergriff er schließlich wieder das Wort. „Ihr habt sie gehört. 20 Kronen.“

Ich schenkte der Blondine ein dankbares Lächeln, welches sie erwiderte ehe sie sich erneut ihrem Großvater zuwandte und ihm einen Kuss auf die Wange gab. „Du bist der Beste.“ Sich von dem Mann lösend ging sie einige Schritte rückwärts zu den Ställen, bedeutete uns ihr zu folgen. „Ich zeige Euch wo Ihr Eure Pferde unterbringen könnt.“ Amüsiert setze ich mich in Bewegung. „Ihr seid ein Barde“, stellte die Blonde mit einem Blick auf meine Lyra im Plauderton fest. „Und euer Freund?“ „Ganz Recht“, bestätige ich ihre Annahme mit einem Nicken ehe ich einen kurzen Blick zurück zu Salvai warf. „Mein Freund“, griff ich ihre Bezeichnung ebenfalls im Plauderton auf „gehört der Schaustellertruppe Tetetra an. Details lasst Ihr Euch am besten von ihm selbst erklären sobald er zu und aufgeschlossen hat.“